Strohfeuer um fiktiven Brandanschlag

Ihre politische Karriere war kürzer als die musikalische mancher DSDS-Kandidaten, und auch sonst mangelt es der CDU-Politikerin an Starqualitäten: Es ist still geworden um Putenbrüterin Astrid Grotelüschen, die nach ihrem Intermezzo im niedersächsischen Landwirtschafts­ministerium wieder in die Landwirtschaftsindustrie zurückgekehrt ist. Vielleicht ein wenig zu still – denn: War da nicht was? Zum Beispiel ein Riesenbohei um einen angeblichen Brandanschlag?

Geeignetes Anschlagsziel für Tierschützer? Puten im Stall. FOTO: Peta

Geeignetes Anschlagsziel für Tierschützer? Puten im Stall. FOTO: Peta

Wo Rauch ist, ist auch Feuer, heißt es. Und wo Feuer ist, sind die Medien nicht weit. Und als in der Nacht vom 20. auf den 21. August 2010 eine Papiertonne auf dem Gelände der der Familie Grotelüschen gehörenden Mastputen-Brüterei Ahlhorn kokelte, stand für einige Redaktionen sehr schnell fest: Dieses Feuer konnte nur – ja, es musste gelegt worden sein; das Wort “Anschlag” wurde aus der Schublade der politische Gewalt oder Terrorakte beschreibenden Begriffe hervorgeholt und machte sogleich die Runde. “Ministerin Grotelüschen geschockt! Brandanschlag auf Familienbetrieb” überschrieb die Bild-Zeitung ihren Artikel, illustrierte ihn mit einem Foto, auf dem sie verheult aussieht (vielleicht aber auch nur müde) und lieferte gleich eine anschauliche Schilderung des von der Redaktion postulierten Geschehens mit: “Der Attentäter schlich auf den Hof, steckte Altpapier in einer grünen Tonne an, schob den schwelenden Container direkt neben eine Hauswand”, hieß es da, als ob ein Bild-Reporter dabei gewesen wäre.

Wessen Kampagne?

In das gleiche Horn stieß auch die Nordwest-Zeitung: “Anschlag auf Grotelüschen-Stall” titelte sie und legte gleich mit einem menschelnden Folgeartikel nach: “Grotelüschen erschüttert nach Feuer“. Beide Zeitungen präsentierten auch gleich die – ihrer Ansicht nach – Hauptverdächtigen: Radikale Tierschützer. Schließlich hatte die Tierrechtsorganisation Peta nur wenige Wochen zuvor Videos veröffentlicht, die grausige Haltungsbedingungen von Puten in einem mit der Firmengruppe der Grotelüschens zusammenhängenden Stall dokumentierten und damit eine öffentliche Diskussion um die Ministerin, in deren Ressort immerhin auch der Tierschutz fiel, entfachten. Beweise oder Indizien für einen Anschlag gab es keine – was die Redaktion von NWZtv allerdings nicht davon abhielt, Ahlhorner Anwohner vor der Kamera zu ihrer Meinung zum “Anschlag” zu befragen, die sich sogleich abfällig über derartige “Methoden der Tierschützer” äußerten. Grotelüschens Ehemann Garlich sprach von einer “politischen Kampagne”. Er meinte die Tierschützer, nicht die Berichterstattung.

Und nun, ein gutes halbes Jahr später? Was ist eigentlich daraus geworden?  “Die Ermittlungen wurden eingestellt”, sagt Staatsanwaltschaftssprecher Rainer du Mesnil de Rochemont auf Anfrage: “Schon vor Wochen.” Das genaue Datum müsse er nachschlagen – es klingt nicht eben so, als hätte der Fall die Gemüter in der Oldenburger Staatsanwaltschaft über Monate hinweg in Wallung gehalten. Es hätten sich, so du Mesnil de Rochemont, “keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Tierschützer, dritte Personen, die Familie Grotelüschen selbst oder der Wachmann den Papierkorb angesteckt haben”.

Kein Anschlag, kein Artikel

Dass Tierschützer einen Stall mit Zigtausend Tieren in Brand setzen würden, war wohl ohnehin eine bizarre Theorie – was Grotelüschens Parteifreund und CDU-Fraktionsvorsitzenden Björn Thümler allerdings nicht davon abhielt, im niedersächsischen Landtag sogar den Entwurf einer “Resolution gegen Gewalt unter dem Deckmantel des Tierschutzes” zu verteilen. Dabei waren schon kurz nach dem Brand die Zweifel der Polizei – die anfangs, wie üblich in solchen Fällen, in alle Richtungen ermittelte – an der Anschlagstheorie gewachsen. Das vermeldete schließlich auch die NWZ am 1. September, eineinhalb Wochen später. Über die definitive Einstellung der Ermittlungen und vor allem über das Nichtvorhandensein jeglicher Indizien für die groß aufgemachte Brandstiftungsgeschichte findet sich allerdings in den Onlineauftritten beider Zeitungen – nichts.

Genaugenommen könne man in diesem Fall, so du Mesnil de Rochemont weiter, eigentlich nicht einmal von einer Brandstiftung sprechen, denn die liege nur vor, wenn gezielt versucht werde, ein Gebäude anzuzünden. Ob es denn nicht denkbar sei, dass jemand den Papierkorb angezündet habe, um genau das zu erreichen? “Denkbar ist vieles”, antwortet der Sprecher der Staatsanwaltschaft in leicht gequältem Tonfall. “Zum Beispiel auch, dass es einfach eine Zigarettenkippe war.”