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Geld muss nicht erst darum bitten, zu “unserem Anführer gebracht” zu werden – es regiert bekanntlich ohnehin schon die Welt. Dabei stammt es vermutlich von einer ganz anderen, wie die Pazz-Aufführung “Money – It came from outer Space” zeigt. Und es ist feindlich gesonnen.

Die Idee klingt wie eine, die einem abends zwischen dem zweiten und dem dritten Bier kommt: Was, wenn Geld keineswegs das ist, wofür wir es halten; wenn es nicht vom Menschen erfunden wurde, um das wirtschaftliche Zusammenleben zu organisieren – sondern wenn es in Wirklichkeit ein außerirdischer Organismus wäre, und zwar keiner dieser netten glubschäugigen Typen, die lediglich nach Hause telefonieren wollen, sondern eines der zahllosen bösartigen, hinterhältigen, zerstörerischen Alien-Monster, die stets die Menschheit unterjochen, fressen oder eliminieren wollen?

Von Geld befallen. Bild: at / lk

Von Geld befallen. Bild: at / lk

Chris Kondek und Christiane Kühl sind dieser Verschwörung auf die Spur gekommen, wie schon Karl Marx, der im “Kapital” vielleicht nur deshalb so viele Vampiranalogien bemühte, weil er noch keine Science-Fiction-Filme kannte. Geld, so die Theorie der beiden Künstler, weist dieselben Eigenschaften auf wie der “Blob” oder andere schleimige Weltraumkreaturen: Es will sich reproduzieren, es will wachsen, es will sich ausbreiten. Anhaltspunkte finden die beiden überall, in der realen wie auch in der Scheinwelt des Popcornkinos. Wie gewisse Parasiten befällt Geld die Gehirne der Menschen, die mit ihm zu tun haben, und ändert deren Verhalten zu seinem eigenen Vorteil, wie in “Body Snatchers”. Im schlimmsten Fall bis zu dem Punkt, an dem der Mensch verzichtbar ist; wenn der durchgedrehte Supercomputer Colossus, der im gleichnamigen Film von 1978 die Weltherrschaft an sich reißen wollte, von der Realität eingeholt wird, von Tausenden Computern, die vollautomatisiert weite Teile des Börsenhandels abwickeln, in einem dermaßen überdrehten Tempo, dass die Besitzer der Aktien so oft wechseln, dass Anlageberater darauf hinweisen, dass Kurse nur sieben Sekunden lang gültig bleiben.

Und irgendwo steht der Mahner, der vor den zerstörerischen Folgen der außerirdischen Invasion warnt, er schreit “Sie sind unter uns!” – aber niemand hört auf ihn. Und schließlich die Regierungen, die in Filmen nur allzu häufig versuchen, das Monster mit genau den Waffen zu bekämpfen, die es nur noch stärker machen. In der realen Welt haben diese Waffen dann so lustige Namen wie Wachstumsbeschleunigungsgesetz, mit derselben fraglichen Wirkung.

Es ist ein witziger Plot, den Kondek und Kühl da hinlegen, eine rasante Collage aus Spiel, Videoperformance und Lesung, angewürzt mit harten Fakten; intelligent, aber keineswegs verkopft. Sie zerren den Irrsinn der Wechselwirkung zwischen Leitzins und Staatsverschuldung ins Licht der paar Scheinwerfer, die groteske Abkoppelung von Geldwirtschaft und Realwirtschaft, den Aberwitz eines Kreditsystems, das nicht existentes Geld mit künftig zu erarbeitendem verrechnet und das eigentlich nicht “Ökonomie” heißen müsste, sondern “Chrematistik”. Beide Begriffe stammen von Aristoteles, und letzteres bezeichnet die “widernatürliche” Form des Gelderwerbs. Und wo wir gerade bei Fremdsprachen sind: Das englische Wort für den Marxschen Begriff der Entfremdung? „Alienation“.

“Money – It came from outer Space” ist zum Schreien, zum Haareraufen, zum Ablachen, zum Schlucken und in manchen Momenten auch beinahe zum Kotzen. Es bringt den Wahnsinn der globalen Finanzwelt auf den Punkt, und zwar dem unter dem Ausrufezeichen eines Filmzwischentitels wie “Bullets can’t kill it!”. Kondek und Kühl stempeln diesen Punkt dem Zuschauer direkt ins Hirn, vielleicht hilft’s ja gegen die Parasiten, aber vielleicht ist es auch schon zu spät. Es ist, kurz gesagt, ein grandioser Act, und wer ihn versäumt, ist selbst schuld. So.