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Sechs Monate Bewährungsstrafe wegen Untreue: Die Karriere des umtriebigen Vollblutpolitikers Karl-Heinz Funke ist an einem Tiefpunkt angelangt. Die wesentlichere Frage aber müsste lauten: Was ist eigentlich beim OOWV los?
Ein bisschen erleichtert wirkte Karl-Heinz Funke schon, trotz der soeben erfolgten Verurteilung und trotz des nicht geringen Strafmaßes: Sechs Monate Freiheitsstrafe wegen Untreue, ausgesetzt zur Bewährung, dazu eine Geldbuße von 10.000 Euro. Aber in dem Anklagepunkt, der ihm am wichtigsten war – die Bezuschussung seiner Silberhochzeit durch den Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband – wurde der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister freigesprochen. Es war diese Silberhochzeit, die das größere öffentliche Aufsehen erregte und die Person Funke in ein denkbar schlechtes Licht gerückt hatte; viel mehr als der Vorwurf, er habe als Verbandsvorsteher dem mitangeklagten ehemaligen OOWV-Geschäftsführer Hans-Peter Blohm eine unrechtmäßige Gehaltserhöhung zukommen lassen. Es war die Silberhochzeit, die die Frage aufwarf, wie genau es der einstmals hochrangige Politiker aus Varel, der schon mit Vorwürfen wegen fehlenden Baugenehmigungen, Schwarzarbeit und falschen Spesenrechnungen zu kämpfen hatte, mit Recht und Ordnung nehme. „Ich habe einen Fehler begangen“, sagte der frisch verurteilte Ex-Minister in die Kameras, „aber kein Unrecht“. Das lässt tief blicken.
14 Verhandlungstage hatte der sonst so wortgewaltige Friese eisern zu den Vorwürfen geschwiegen, ein ganz und gar ungewohntes Bild: Still, in sich gekehrt, nur gelegentlich den Blick durch den Raum schweifen lassend, während Staatsanwälte und Verteidiger Zeugen befragten, Satzungen durchforsteten und detaillierte Rechnungen verlesen ließen. Am vorletzten Prozesstag aber, als nach den Plädoyers der Anklage und der Verteidigung den Angeklagten das letzte Wort gebührte, schlug die Stunde des Karl-Heinz Funke. Sein „letztes Wort“ dauerte eine halbe Stunde, und er widmete sie fast ausschließlich diesem ersten Anklagepunkt. Der redegewandte Politiker spann dabei den Bogen von der zivilisatorischen Bedeutung der Wasserversorgung über die Brüsseler EU-Politik bis hin zu den Vareler Landfrauen, deklamierte seinen enormen Einsatz für den Verband und berichtete in bewegtem Tonfall von den Belastungen, die die Ermittlungen für seine Familie mit sich brachten. So kennt man Funke: Als charismatischen Redner, als bodenständigen Volkstribun, als einen, der Macht und Einfluss hat und mit dem man trotzdem mal einen Kurzen trinken kann. Er ließ beinahe vergessen, dass er Angeklagter war und nicht Opfer.
Von der Bezahlung des Silberhochzeitsbuffets durch den OOWV habe er erst später erfahren; nie sei ihm in den Sinn gekommen, die Kosten dem Verband aufzubürden, sagte Funke, und es klang auch durchaus glaubhaft. Die Idee dazu kam nach Ansicht des Gerichts allein von Blohm, der wohl auch dafür verantwortlich war, dass die Zahlung in der Buchhaltung verschleiert wurde. Zwar hatte Funke gegenüber dem Verband zunächst ebenfalls die Unwahrheit gesagt, was die ominösen Zahlungen betraf – dass er aber bereits eine Woche später den Vorgang einräumte und das Geld zurückzahlte, hielt ihm das Gericht zugute. Blohm hingegen nicht – er habe genau gewusst, dass sein Handeln rechtswidrig sei, sagte der Vorsitzende Richter Horst Kießler in der Urteilsbegründung: „Was da für ein Zirkus gemacht wurde mit den Rechnungen.“ Blohm hatte die 8.000 Euro für das Buffet gestückelt und als „Dankeschön-Veranstaltungen“ für von Bauarbeiten genervte Anwohner ausgewiesen; der Gastronom, der das Buffet geliefert hatte, stellte entsprechend vier Einzelrechnungen aus – wodurch sich, nebenbei bemerkt, der Gesamtbetrag auf wundersame Weise noch einmal um gut 100 Euro erhöhte.
In der vorangegangenen Beweisaufnahme hatten sich die Verteidiger bemüht zu beweisen, dass die Silberhochzeit weniger als Privatfeier zu sehen sei als vielmehr wie eine PR-Veranstaltung des OOWV, die letztlich der Imagepflege des Verbands diene – schließlich habe Funke öffentlich per Zeitungsannonce zur Sause eingeladen. Es habe einen Vorstandsbeschluss gegeben, der solche Ausgaben für verdiente Mitarbeiter billige. Dass dieser Beschluss allerdings nirgendwo schriftlich festgehalten wurde, war der Argumentation eher nicht zuträglich: Das Gericht zweifelte offen die Existenz einer solchen Absprache an, und überhaupt bleibe eine Familienfeier ein privates Fest, ganz egal, wen man in welcher Form einlade.
„Egal“ war auch das Stichwort bei der Behandlung des zweiten Anklagepunkts. Funke hatte als Vorsteher mit seiner Unterschrift am Vorstand vorbei eine Gehaltserhöhung für Blohm genehmigt – von 117.000 Euro netto, die der Verband ihm zugestanden hatte, auf 270.000 Euro brutto; ein Betrag, den Blohm und seine Personalchefin als „branchenübliches Gehaltsniveau“ einer Führungskräftezeitschrift entnommen hatten. Letztlich blieb Blohm netto mehr übrig als der mit dem Vorstand vereinbarte Betrag – der Schaden für den OOWV, der als Nebenkläger auftrat, wurde auf 103.000 Euro beziffert. Dennoch sprach die Verteidigung stets von einer „Gehaltsumstellung“, nicht von einer Erhöhung, zumal sich Blohms Gehalt durch Zulagen auch in den Jahren zuvor schon in ähnlichen Sphären bewegt hatte. „Egal“, befand das Gericht. Egal sei, was die Angeklagten als „angemessen“ erachteten; egal, was Blohm vorher kassierte – das von Funke zugestandene Gehalt war schlussendlich höher als das vom Vorstand zugebilligte, und das hätten beide auch ganz genau gewusst und bezweckt, hieß es.
Sechs Monate für Funke, elf für Blohm – keine außergewöhnlich sanften Urteile, die das Gericht mit der Eigenschaft des Wasserverbandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts begründete. Das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat stehe auf dem Spiel, der Verbraucher müsse sich darauf verlassen können, „dass mit seinen Geldern ordentlich umgegangen wird“, sagte Kießler. Das Image des OOWV dürfte in dieser Hinsicht bereits jetzt angekratzt sein – zu oft war während des Prozesses die Rede von rein mündlichen Absprachen, von ungewöhnlichen Gehaltsstrukturen und fragwürdigen Geldzahlungen. Ob der Wasserverband, der im Prozess als Nebenkläger auftrat, den auf 90.000 Euro heruntergerechneten Schaden auf dem Wege einer Zivilklage einfordern wird, werde geprüft, sagte ein Sprecher. Ob der Verband sein eigenes Geschäftsgebaren ebenfalls auf den Prüfstand stellt, wird sich zeigen.
Ein Nachspiel wird der Prozess wohl so oder so haben: Die Verteidigung kündigte an, mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ in Revision gehen zu wollen.