Wahlen und Qualen
Zusätzlich zu den bereits im Landtag vertretenen Parteien möchten sich 18 weitere Gruppierungen zur Wahl im Januar stellen. Was sind das eigentlich für welche?
An diesem Freitag entscheidet der Landeswahlausschuss für jede der 18 Vereinigungen, die sich bis zum Stichtag am 22. Oktober gemeldet haben, über ihre wahlrechtliche Anerkennung als Partei und somit darüber, ob sie überhaupt zur Wahl zugelassen werden. Die bereits bei der letzten Wahl mandatierten Parteien CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke müssen nicht eigens neu geprüft werden; Parteien, die in anderen Landesparlamenten, nicht jedoch im niedersächsischen vertreten sind, hingegen schon – das betrifft in diesem Fall die NPD und die Piraten. Bis zum kommenden Donnerstag dann müssen die zugelassenen Gruppen ihre Wahlvorschläge eingereicht haben, über die der Ausschuss dann in der Woche darauf berät.
Bevor einige dieser Exoten durch das Raster fallen und in manchen Fällen vermutlich auf Nimmerwiedersehen verschwinden werden, stellt der Lokalteil sie in aller gebotenen Kürze vor: Was wollen sie, wie ticken sie – und wie ernstzunehmen sind sie?
Wir haben die aus der Mitteilung der Landeswahlleiterin hervorgehenden Eigenschreibweisen der Parteien – Groß- und Kleinschreibung, Zeichensetzung, Kürzel – übernommen. Weder die Reihenfolge noch der Umfang der Einträge ist als Maßstab für eine der jeweiligen Gruppierung beigemessenden Bedeutung unsererseits zu verstehen. Wir haben die Piratenpartei aus dieser Aufzählung herausgelassen, da sie nach dem erfolgreichen Einzug in vier Landesparlamente und einer gewaltigen Medienpräsenz nicht mehr als “Exot” gelten kann. Die Neonazis der NPD lassen wir aus naheliegenden Gründen ebenfalls heraus.
Partei Gesunder Menschenverstand Deutschland
Die Partei mit dem hübschen Namen „Gesunder Menschenverstand“ und einer gewissen Vorliebe für das Wort „Willkür“ schießt sich vor allem auf den Fiskus ein. Kleine und mittlere Unternehmen, heißt es da, sollen von allen Steuern außer der Umsatzsteuer befreit werden – und gegen einen kleinen fiskalischen Obolus von zehn Prozent mehr sollen sie sich auch noch die Finanzprüfer vom Hals halten können. Durch dieses System würde ihren „Berechnungen“ zufolge 70 Prozent der Arbeitslosen „auf eigene Kosten neue Firmen gründen und neue Mitarbeiter einstellen“, behauptet die Partei und fragt: „Entspricht dies nicht dem gesunden Menschenverstand?“
Damit das angesichts der geltenden Zuständigkeiten im Steuersystem auf Landesebene überhaupt funktionieren kann, soll Niedersachsen eine „Freihandelszone“ werden, fordert die PGM. Auch für den Durchschnittsbürger sollen die Steuerangelegenheiten vereinfacht werden, und zwar so dynamisch, dass die Partei sich selbst übertrifft – während sie im Landtagswahlprogramm für eine Steuererklärung eintritt, die sich in fünf Minuten ausfüllen lasse, ist in einer angeschlossenen Kampagne sogar von nur noch zwei Minuten die Rede. Es soll nur eine einheitliche Einkommenssteuer in Höhe von 22 Prozent geben, was wohl so zu verstehen ist, dass dies gleichermaßen für Niedrigverdiener und Einkommensmillionäre gelten soll. Und wieder: „Entspricht dies nicht dem gesunden Menschenverstand?“ Tja.
Das Landtagswahlprogramm umfasst vier luftig beschriebene Seiten, von denen eine als Deckblatt und eine weitere als Unterstützungsformular fungiert. Das Grundsatzprogramm passt sogar auf eine einzige Din-A4-Seite. Es umfasst fünf Punkte, deren letzter mit „Internationale Beziehungen“ betitelt ist und aus folgenden zwei Sätzen besteht: „Alle Menschen in allen Ländern haben ein Recht auf die Zahlung des Existenzminimums durch den jeweiligen Staat. Dadurch wird Auswanderung aufgrund von lebensbedrohender Not vermieden.“ Eine etwas krude anmutende Mixtur aus Sozialethik und Fremdenfeindlichkeit – und wie sie alle anderen Nationen weltweit dazu bringen will, soziale Netze zu errichten, darüber schweigt sich die Partei leider aus.
So knapp die Programmatik auch sein mag – immerhin hat die Homepage der Partei jenen der Mitbewerber eines voraus: die Rubrik „Polithumor und Aphorismen“. Allerdings gerät die Einordnung ein wenig durcheinander – hinter dem Eintrag „Witz 04.11.12“ verbirgt sich ein Zitat des Philosophen Jean-Jacques Rousseau. Vielleicht haben wir aber auch nur einen anderen Humor.
PARTEI DER VERNUNFT
Klingt beim ersten Hören wie eine Schwesterpartei der Partei Gesunder Menschenverstand, vielleicht aber auch wie ihr ideologischer Todfeind, da sie sich einen derart ähnlichen Anspruch auf die Fahnen geschrieben hat. Die Vernunftpartei ist 2009 vom Focus-Journalisten Oliver Janich gegründet worden, der laut Spiegel schon mal verdächtigt wurde, Börsenkurse manipuliert zu haben, wofür er im Frühjahr 2012 „erneut ins Visier der Ermittler geraten“ sei und der auch ganz eigene Ansichten zum 11. September und dem Klimawandel („Der Klimaschwindel ist ein Multibillionen-Geschäft“) hat. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat die Partei 6.356 Stimmen erhalten (0,1 Prozent). Im vergangenen Jahr soll sie bundesweit rund 1.000 Mitglieder gehabt haben.
Ihre Maxime lautet: „Wir sind sozialer als SPD und Linke, grüner als die Grünen, liberaler als die FDP und christlicher als CDU/CSU.“ Es allen recht zu machen und sich mit niemandem anlegen – das klingt allerdings mehr als nur ein wenig wischi-waschi; außerdem muss sich die Partei fragen lassen, wie ihr Anspruch, sich für weitestgehende individuelle Freiheit anzusetzen, mit der erwähnten Bezugnahme zum Christentum in Einklang bringen lässt, das doch eher für festgeschriebene gesellschaftliche Strukturen steht.
Für die Niedersachsenwahl hat die Partei eine umfangreiche Positionsliste ins Netz gestellt, bei der sich die einzelnen Punkte zwecks näherer Informationen anklicken lassen. Leider führt der Versuch stets zu einer Fehlermeldung, was schade ist – es wäre sicher interessant zu wissen, was sich hinter dem Punkt „Zulassung von Alternativwährungen“ verbirgt.
Aber auch so lässt sich jedoch schnell erkennen, dass die Partei sich als eine Art radikalere FDP versteht: „Jegliche direkte Eingriffe in das Eigentum, wie direkte Steuern (zum Beispiel Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Abgeltungsteuer) sind verboten“, heißt es im Grundsatzprogramm: „Hoheitliche Aufgaben dienen allein dem Schutz des Lebens, der Freiheit und des Eigentums und werden durch indirekte Steuern finanziert. Die Bürger bestimmen so den individuellen Finanzierungsbeitrag über ihren Konsum selbst.“ Das heißt wohl: Nur soviel Steuern, dass sich davon ein staatlicher Sicherheitsapparat finanzieren lässt. Und heißt wohl auch: Wenn mehr Polizisten oder neue Ausrüstungsteile benötigt werden, müssen die Bürger mehr DVD-Player kaufen.
Bei einem solchen Ansatz liegt es nahe, dass Sozialstaat und Krankenversicherungssystem bei einem Wahlsieg der PdV passé wären: „Bürger und Institutionen haben das Recht, aber nicht die Pflicht, sich zu sozialen Zwecken zusammenzuschließen. Niemand darf also gezwungen werden, einer solchen Sozialgemeinschaft beizutreten oder sie zu finanzieren.“ Außerdem dürfe niemand „daran gehindert werden“, „freiwillige Vereinbarungen zu treffen“. Das dürfte das Todesurteil für Tarifverträge und jegliche Mindestlohnmodelle sein.
Die Partei schmückt sich mit dem – eigentlich eher in den USA geläufigeren – Label des Libertarismus; allerdings ist im Programm viel von einer „natürlichen Ordnung“ die Rede – und das klingt weniger nach „Freiheit“ als vielmehr nach sozialdarwinistischer Ideologie.
Demokratische Eliten-Partei
Wer nach dem vorangegangenen Abschnitt zur Partei der Vernunft nun angesichts des Namens „Elite-Partei“ eine noch viel radikalere Neoliberalentruppe erwartet, liegt falsch: Die DEP ist … ja, was eigentlich? Das geht aus dem Programm, dessen sprachliche Qualität eher nicht auf ein elitär geprägtes Bildungsniveau hindeutet, nicht wirklich hervor. Das Youtube-Wahlwerbefilmchen der Partei ist auch nicht viel hilfreicher, dafür derartig dilletantisch, dass der Betrachter sich unwillkürlich fragt, ob es sich um ein Scherzvideo handelt.
Das nur etwas mehr als dreiseitige Programmpapier scheint nach dem Prinzip „Möglichst viele Themen auf möglichst wenig Raum anreißen“ entstanden zu sein. Manche Passagen klingen, als wären sie erst in den letzten Wochen hinzugefügt worden, andere behandeln Grundsatzfragen in zweieinhalb Sätzen. So soll etwa die „Schuldenmacherei“ gestoppt werden, nur wie – darüber verliert die Partei nicht ein einziges Wort. Ein bisschen Öko-Anstrich ist dabei, ein bisschen Basisdemokratie, ein bisschen Kapitalismuskritik, ein bisschen law & order und viel Schwammiges.
Ein Beispiel: „Die DEP lehnt strikt Spenden von Unternehmen ab.“ Was heißt das nun – nimmt sie selbst keine Parteispenden entgegen? Will sie Parteispenden generell verbieten? Oder gar – schließlich ist nicht explizit die Rede von Parteispenden – generell alle Spenden von Unternehmen, also auch im kulturellen Bereich? Man weiß es nicht.
FREIE WÄHLER Niedersachsen
Wie in anderen Bundesländern auch sind die Freien Wähler als heterogene Gruppe zu verstehen, weshalb sie “ideologische Programme” ablehnen. Gleichwohl haben die niedersächsischen FW ein umfangreiches Grundsatzprogramm vorgelegt, und darin findet sich für jeden etwas. Ein Beispiel für die sich durch das Programm ziehende Unentschlossenheit wäre etwa dieser Satz zur Staatsangehörigkeit: “Wir FREIEN WÄHLER halten an dem Grundsatz fest, dass Mehrstaatigkeit zu vermeiden ist. Allerdings muss es hiervon genügend Ausnahmemöglichkeiten geben.” Oder hier: “Wir FREIEN WÄHLER fordern, dass alle Kinder mit möglichst gleichen Chancen ins Schulleben starten können” – sind sie jedoch gestartet, ist es offenbar Essig mit der Chancengleichheit, denn an den verschiedenen Schularten halten die FW fest.
Manche Standpunkte sind eindeutig formuliert, etwa die Forderung nach einer grundsätzlichen Kostenfreiheit des Erststudiums; andere Positionen sind zumindest in ihrer Grundtendenz erkennbar – so treten die FW generell für das Prinzip der privaten Vorsorge ein -, zwischendrin wiederum fallen ganze Passagen derartig knapp und schwammig aus, dass man ihnen – als Beispiel möge der Abschnitt zur Kultur dienen – kaum eine inhaltliche Aussage entnehmen kann. Wie gesagt: Die Freien Wähler stehen programmatischen Festlegungen per se distanziert gegenüber, daher muss man sich vielleicht auch nicht wundern, wenn man nicht zu allen Themen welche findet.
DIE FREIHEIT – Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie
Die FREIHEIT stellt ihrem Grundsatzprogramm ein Vorwort voran, in dem sie mitteilt, dass sie nicht fundamentalistisch und nicht schwulenfeindlich sei – offenbar hat die erst vor zwei Jahren vom ehemaligen Berliner CDU-Landtagsabgeordneten René Stadtkewitz gegründete Partei bereits mit einem starken Imageproblem zu kämpfen. Das kommt nicht von ungefähr: 2011 hat sie den niederländischen Rechtsausleger Geert Wilders eingeladen, und der Spiegel berichtete vor einem Jahr über Kontakte der Partei zu Stefan Herre, Gründer des rechten Hetzblogs “Politically Incorrect”. Die FREIHEIT hat in den zwei Jahren ihrer Existenz bereits eine Spaltung und einen deutlichen Rückgang der Mitgliederzahl hinnehmen müssen – letztere beträgt nach eigenen Angaben rund 1.200.
Ein Blick in die “Politischen Leitsätze” bestätigt den Eindruck einer deutlich nach rechtsaußen tendierenden Gruppierung. Die Freiheit, heißt es da, müsse “jeden Tag neu gefestigt und verteidigt werden”, und zwar “gegen linksideologisch motivierte Experimente zur Umerziehung der Bevölkerung und sozialistischer Gleichschaltung unserer Gesellschaft” oder auch “gegen die Ausbreitung totalitärer Ideologien, insbesondere des politischen Islams und des Sozialismus”. Neonazistische Ideologie ist der FREIHEIT keine eigene Erwähnung wert, und die Gleichsetzung von “rechts” und “links” an anderer Stelle taugt kaum dazu bei, diesen Eindruck zu relativieren; auch nicht das Bekenntnis zu den “jüdisch-christlichen Wurzeln”, zumal die FREIHEIT im nächsten Satz “Staat und Gesellschaft aus christlich-abendländischem Geist gestalten” will.
Mitunter verliert sich die Partei sogar in schwülstigem NS-Duktus: “Ein Volk, welches nicht zu sich selbst steht, ist langfristig dem Untergang geweiht.” Trotz durchaus mehrheitsfähiger Forderungen wie dem allseits beliebten Ruf nach mehr Bürgerbeteiligung oder der Abschaffung von Minijobs ziehen sich stramm konservative bis rechtspopulistische Überzeugungen durch das Programm: grundsätzliche Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen, Null-Toleranz-Justiz, Zuwanderungsstopp und immer wieder antiislamische Spitzen.
Hartz IV soll durch eine Art Zwangsarbeitssystem ersetzt werden: “Transferleistungen gibt es nur dann, wenn der arbeitsfähige Empfänger einer von sozialen Trägern bereitgestellten Beschäftigung korrekt nachgeht. Die dafür aufzuwendenden Mittel entsprechen den heutigen ALG 2 Zahlungen.” Das klingt nach staatlich sanktionierten Hungerlöhnen – allerdings sind nach Meinung der Partei wohl auch daran die Ausländer schuld, denn an anderer Stelle wird ein Zuwanderungsstopp als wirksamstes Mittel gegen Lohndumping genannt.
Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative
Die von Redakteuren des Satiremagazins Titanic gegründete PARTEI, bei der das Akronym mit hoher Wahrscheinlichkeit eher da war als die von ihm repräsentierte Aufzählung, zählt mittlerweile zu den bekanntesten Kleinparteien. Geschuldet ist das zum einen ihrem Vorsitzenden Martin Sonneborn, der seine Popularität nicht zuletzt durch seine Auftritte in der heute-show deutlich steigern konnte; zum anderen medienwirksamen Aktionen wie etwa dem Beginn des Wiederaufbaus der Mauer oder dem Staatsbesuch einer Delegation der PARTEI in Georgien.
Dabei liest sich das Parteiprogramm in weiten Teilen durchaus ernsthaft: Es umfasst unter anderem die Punkte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, äußert sich zum Umweltschutz und will niedrigschwellige Volksbegehren und -entscheide einführen. Die bekannteste Forderung der Partei aber findet sich am Schluss und lautet folgendermaßen: “Die fünf Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sollen dabei zu einem starken Ost-Bundesland zusammengefaßt werden. Um wirtschaftliche Impulse zu erzeugen, soll dieses neue, starke Bundesland eine Sonderbewirtschaftungszone (SBZ) bilden. [...] Diese Sonderbewirtschaftungszone (SBZ) soll auch baulich vom Rest der Bundesrepublik getrennt werden.”
Es ist vor allem dieser Punkt – der mit der Mauer – der der Partei immer wieder vorgehalten wird und aus dem sich die häufig vorgetragenen Zweifel an ihrer Eigenschaft als ernstzunehmende politische Gruppierung nähren. Vielleicht lag es auch an ihrer auf dem Höhepunkt der Bankenkrise geäußerten Forderung nach einem Angriffskrieg gegen Liechtenstein – jedenfalls wurde die PARTEI weder zur Europa- noch zur Bundestagswahl 2009 zugelassen, wogegen sie – allerdings erfolglos – Beschwerden einlegte. Trotz dieser Nichtzulassungen konnte sie mittlerweile Landesverbände in 13 Bundesländern aufbauen.
Auch zu den diesjährigen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein wurde die Liste der PARTEI abgelehnt, in Nordrhein-Westfalen und im Saarland durfte sie indes antreten und erreichte 0,3 bzw. 0,5 Prozent. Man darf gespannt sein, wie der niedersächsische Wahlausschuss entscheidet.
Deutsche Demokratische Partei
Die ddp ist eine traditionsreiche Partei – das heißt, sie wäre es, gäbe es eine direkte Kontinuität zwischen der (stets groß geschriebenen) DDP der Weimarer Republik und der heutigen Gruppierung. Die ist 2004 entstanden und versteht sich als Erbe der historischen Partei, die unter anderem den 1922 ermordeten Außenminister Walter Rathenau, der Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde oder den späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss zu ihren Mitgliedern zählte. Die alte DDP, später in Deutsche Staatspartei umbenannt, löste sich 1933 auf und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder belebt.
Das Branding der Partei ist ein sattes Orange, was vielleicht Ärger mit Mutti geben wird, vielleicht aber auch nicht – ukrainisch-orange scheint einfach schwer in Mode zu sein in dieser Wahlsaison.
Trotz diverser Fusionen mit anderen Splitterparteien mit so illustren Namen wie „Strategiepartei“ oder „Gerechte Mitte“ und der Einrichtung von nicht weniger als zehn Landesverbänden hat die Partei bundesweit wohl keine 200 Mitglieder. Dafür bietet sie eine eigene Publikation, ein etwas krawalliges Blog namens „Der Demokrat“.
Ein zentraler Kritikpunkt der ddp ist das angebliche Fehlen einer Verfassung, zu dem sie eine klare Meinung hat: „Die Verhinderer argumentieren damit, dass das Grundgesetz die Verfassung bedeute und damit identisch sei. Das ist ein eklatanter, krimineller Rechtsbruch. Die ddp fordert die sofortige Konstituierung einer Verfassung, die vom Volk gegeben wird und nicht von der Politik.“ Nun könnten dieselben Verhinderer – oder auch jeder andere – argumentieren, dass man in einer Demokratie Politik und Volk nicht voneinander trennen kann, aber naja.
Wie so viele Parteien erhebt auch die ddp die Forderung nach mehr Volksabstimmungen, und zwar bei Fragen der Verstaatlichung ebenso wie für das Datum eines Feiertages. Sie will – wohl aus nahe liegenden Gründen – die Fünf-Prozent-Hürde abschaffen und das Mandat von Politikern auf eine Legislaturperiode begrenzen, damit sie danach einer anständigen Arbeit nachgehen müssen. Gut, die ddp formuliert es anders, aber das ist der Kern des Gedankens.
Die ddp bezeichnet das existierende Steuersystem als „das absurdeste der Welt“ und propagiert eine weitestgehende Vereinfachung, ach was: „Abschaffung“, wie es heißt. An die Stelle der bisherigen Steuern soll nunmehr nur noch eine einzige treten: die Umsatzsteuer. Die Sätze rangieren von null Prozent für Exporte oder Bergbauprodukte über 30 Prozent für die Gastronomie und 50 Prozent für Datenverarbeitungs-Dienstleistungen, was ein wenig so wirkt, als würden die Parteimitglieder nicht sonderlich viel Sympathie für Informatiker aufbringen. Komisch eigentlich, da die Homepage ziemlich professionell programmiert worden zu sein scheint, aber vielleicht haben die Parteioberen ja das Gefühl, bei der Rechnung über den Tisch gezogen worden zu sein – man weiß es nicht. Aber kehren wir zurück zur Steuer: Mit ihrem, nun ja, Modell erwartet die Partei einen Haushaltsüberschuss von – festhalten, bitte – einer Billion Euro im Jahr. Im „ungünstigsten Fall“. Wahrscheinlicher seien „weit über zwei Billionen“.
Aus diesem Punkt ergibt sich, da ein ddp-geführtes Land ja Geld wie Heu haben muss, alles weitere vermutlich von selbst.
Deutsche Zentrumspartei
Bleiben wir noch kurz bei den traditionsreichen Namen: Die deutsche Zentrumspartei, kurz Zentrum, kann auf eine nur durch die NS-Zeit unterbrochene Geschichte zurückblicken, die bis ins Jahr 1870 reicht. Damals war sie der politische Arm des Katholizismus, erlangte stets um die 20 Prozent der Stimmen, wurde vom Reichskanzler Otto von Bismarck bekämpft und entwickelte sich später zu einer regierungstreuen Partei. In der Weimarer Republik konnte sie nicht mehr an ihre Wahlergebnisse aus der Kaiserzeit anknüpfen, stellte aber dennoch fünf Reichskanzler, unter anderem den berüchtigten „Hungerkanzler“ Heinrich Brüning, und verschaffte Hitler die benötigte Zweidrittelmehrheit für das Ermächtigungsgesetz, bevor sie sich im Sommer 1933 auflöste.
Nach der Neugründung 1945 blieb das Zentrum eine Kleinpartei, da sich ein Großteil der katholischen Stammwählerschaft zur CDU orientierte. Im niedersächsischen Landtag war sie zuletzt in der Legislaturperiode 1955 bis 1959 mit einem Sitz vertreten, 2003 und 2008 stand sie nicht zur Wahl. Der niedersächsische Landesverband ist, wenig verwunderlich, in Cloppenburg beheimatet.
Auch heute ist die Partei stark religiös geprägt. In der Präambel ihres Grundsatzprogramms aus dem Jahr 2008 fordert sie, „christliche Grundsätze für Staat und Gesellschaft“ umzusetzen, spricht von der „naturgegebenen Aufgabe“ von Ehe und Familie – welche auch immer das sein mag – und beansprucht eine Unterstützung der christlichen Kirchen bei deren „gesellschaftliche[r] Aufgabe der Rückbindung an gemeinsame letzte Werte“. Letzte Werte? Das ist ein Topos, der sich sonst nur im theologischen Bereich findet und im Wesentlichen so etwas wie Grundsätze bezeichnet, die sich der Einwirkung des Menschen entziehen. Andere würden wohl von „Dogmen“ sprechen.
Im Programm finden sich durchaus Aussagen, die auch Anhänger anderer Parteien problemlos unterschreiben könnten: Chancengleichheit, Zugang zu Bildung und Kultur für alle, Gesamtwohl über dem Wohl Einzelner, die Grundversorgung „im Zweifelsfalle in Öffentlicher Hand“. Umweltpolitik gibt es auch, das liest sich bei den Zentrumskatholiken so: „Die Schöpfung ist dem Menschen zur Nutzung und Gestaltung anvertraut. Sie ist für kommende Generationen zu bewahren.“
Was die Partei zur Pressefreiheit zu sagen hat, wirft allerdings ein Fragezeichen auf: „Daher sind die Medien wegen ihres meinungsbestimmenden Einflusses auf Sorgfalt, Umsicht und Wahrhaftigkeit zu verpflichten.“ Sorgfalt und „Wahrhaftigkeit“ – auch dies wieder eine deutlich theologisch geprägte Wortwahl – sollten als Grundsätze der Pressearbeit ja eigentlich ohnehin nicht in Frage stehen; es sind gewissermaßen die „letzten Werte“ der Medienbranche. Was allerdings mit „Umsicht“ gemeint ist, bleibt unklar. Vielleicht ist es nur eine Botschaft an die Revolverblätter der Republik, dass sie ihrer Verantwortung gerechter werden sollten, vielleicht aber auch die Vorstellung einer Selbstzensur im Sinne der Vermittlung christlicher Überzeugungen?
Links-Liberale Partei Deutschlands
Diese Partei unterhält keinen eigenen Internetauftritt, betreibt aber immerhin eine Facebook-Seite. Auf dieser bietet die LLPD als allererstes ein Beitrittsformular an, das derart formlos gehalten ist, dass man dessen Rechtsverbindlichkeit wohl durchaus anzweifeln darf – ganz zu schweigen davon, dass man es nicht dort ausfüllen kann, sondern erst in eine Textverarbeitung kopieren, ausfüllen, ausdrucken, in einen Umschlag stecken und an eine Adresse in Cuxhaven schicken müsste, wenn man denn wollte. „LLPD gefällt das“, entnehmen wir dem Eintrag.
Neben der mangels Absätzen so gut wie unleserlichen Satzung gibt es auch ein etwas augenfreundlicher formatiertes Programm. Dessen Punkte klingen alle sattsam bekannt und sind angesichts des Namens der Partei nicht weiter überraschend: Mindestlohn (10 Euro) und Reichensteuer her, Studiengebühren und Leiharbeit weg; Machtbegrenzung und Kontrolle der Finanzwirtschaft, Volksentscheide, Europa ja – Schulden nein.
Außerdem im Angebot: Die Abschaffung der Todesstrafe. Klingt merkwürdig, selbst wenn man voraussetzt, dass die Partei mit diesem Punkt weniger auf Land- und Bundestagswahlen, sondern auf die nächste Europawahl abzielt – denn alle EU-Mitglieder haben einen entsprechenden Artikel zur „Abschaffung der Todesstrafe unter allen Umständen“ unterzeichnet, nur bei vieren steht die Ratifikation noch aus. Kaum ein geeigneter Stimmenfänger – dafür aber vielleicht der letzte Programmpunkt: Kiffen. Also eine „Liberalisierung des Konsums von THC nach niederländischem Vorbild“. Das wollen allerdings auch andere.
Das Programm ist auf den 10. September 2012 datiert, die Partei scheint dementsprechend neu zu sein. Und entsprechend wenig vorbereitet.
Muslimisch Demokratische Union
Der Name der Partei klingt nach einem islamischen Pendant zur CDU, ihr Programm erinnert in seinem religiösen Grundton aber eher an das Zentrum. Ins Leben gerufen wurde die MDU 2010 im Hinblick auf die Kommunalwahl 2011, bei der sie es in ihrem Gründungsort Osnabrück auf 1.401 Stimmen (0,8 Prozent) brachte. Mittlerweile gibt es neben dem Kreisverband Osnabrück auch den Landesverband Niedersachsen und einen Bundesvorstand; alle drei scheinen indes personell weitgehend deckungsgleich zu sein. Dazu ist zwischenzeitlich ein Landesverband in Nordrhein-Westfalen gegründet worden.
Das etwas unfertig wirkende Programm ist recht knapp gehalten und wendet sich in eher allgemein gehaltenen Formulierungen gegen Sozialabbau und die Schonung von Spitzenverdienern durch die amtierende Bundesregierung. Einordnen lässt sich das nur schwer, selbst für die Parteioberen – gegenüber der tageszeitung sagte der Vorsitzende „Wir sind mal links, mal rechts und mal Mitte.“
Vor allem sind sie aber religiös motiviert: Die MDU fordert die rechtliche Gleichstellung von Christentum und Islam und spricht sich für die Etablierung muslimischen Religionsunterrichts aus. Die MDU führt eine ganze Reihe an Grundgesetzartikeln auf und kommt zu dem Schluss: „In der Praxis gibt es in Deutschland eine faktische Bevorzugung des Christentums.“ Dies schlage sich beispielsweise in der geltenden einseitigen Datierung religiöser Feiertage nieder.
Das Wenige, das im Programm aufgeführt ist, fällt nicht in die Rubrik „Untergang des Abendlandes“. Dass sich der Verfassungsschutz dennoch für die Partei interessiert, überrascht bei der allgemeinen Stimmungslage allerdings nicht wirklich. Im August hatte das Landesamt der Partei antidemokratische Bestrebungen vorgeworfen, nachdem zuvor auf der Internetseite eine Fatwa veröffentlicht worden war, die Demokratie und Islam als unvereinbar bezeichnete. Nach Angaben der Partei basierte die Veröffentlichung auf einem Disput mit anderen muslimischen Gruppen – die Fatwa sei demnach dem „gegnerischen Lager“ zuzurechnen, ihre Veröffentlichung „sicher ungeschickt“ gewesen. Die Partei bekenne sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie es in einer Stellungnahme heißt. Die Vorwürfe der Verfassungsschützer sieht die MDU als politische Kampagne der „Regierungsparteien“ zu einem Zeitpunkt, zu dem sie Unterschriften für ihre Zulassung zur Wahl sammelte.
Partei bibeltreuer Christen
Als weitaus radikalere religiöse Partei muss die PBC betrachtet werden, die allerdings trotz einer ganzen Reihe wenig grundgesetzkonform klingender Inhalte in keinem Verfassungsschutzbericht eine Rolle spielt und an deren Wahlzulassung wohl kein Zweifel bestehen dürfte: Die 1989 von einem Pastor gegründete PBC ist in neun Bundesländern aktiv und nahm seit 1994 an allen Bundestagswahlen sowie seit 1998 an allen Landtagswahlen teil (Ergebnisse in Niedersachsen jeweils 0,2 Prozent).
Die Partei ist stark fundamentalistisch aufgestellt. Sie will die Möglichkeit zur Scheidung einschränken und Abtreibungen unter Strafe stellen: „Jedes Kind ist ein Ebenbild Gottes“, heißt es im Grundsatzprogramm. Die Homo-Ehe wird strikt abgelehnt. Die PBC fordert ein Verbot von Gotteslästerung und die Einführung von Bibelstunden an Schulen: „Die reine Wissensvermittlung soll gestrafft und von überflüssigem Ballast befreit werden.“ Sie hat auch eine Art Super-Herdprämie im Portfolio: Mütter – und auch Väter, sofern sie „die Erziehung übernehmen“ – sollen „bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres jedes Kindes ein Erziehungsgehalt“ bekommen, finanzierbar durch Steuern und Sozialabgaben und zahlbar für Zeiten, „in denen ein Elternteil sich vollzeitlich der Kindererziehung widmet“.
Was die Medienpolitik betrifft, widerspricht sich die Partei auf rekordverdächtig wenig Platz in eklatanter Weise selbst: „Wir wehren uns gegen jede parteipolitische oder ideologische Manipulation“, heißt es, aber nur zweieinhalb Zeilen später folgt dieser Satz: „Die Freikirchen müssen angemessene Sendezeiten zu ihrer Darstellung in den öffentlich-rechtlichen Medien erhalten.“
Die Außenpolitik müsse sich auf „die Richtlinien des Wortes Gottes“ stützen. Zur Abwehr „eventueller Bedrohung der Bundesrepublik“ fordert die Partei „nationale Gebets- und Fastentage“. Die Resozialisierung von Straftätern solle durch Bibelarbeit – „Gottes Wort hat seine eigene Dynamik, um Menschen zu verändern“ – gewährleistet und das Gesundheitssystem offenbar nach dem Prinzip „Beten statt behandeln“ saniert werden: „Im Zuge der von uns geforderten Hinwendung zur Heiligen Schrift und zu mehr Ehrfurcht vor Gott wird auch die allgemeine Liebe zur Wahrheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander zunehmen. Vermeidbare Arztinanspruchnahmen und unnötige Krankschreibungen […] werden dann zurückgehen.“
Das geht seitenweise so weiter, garniert mit Bibelzitaten. Beschränken wir uns auf eine grundlegende Passage, die viel über das Politikverständnis der PBC aussagt: „Wir erbitten den Segen Gottes für alle Politiker, damit letztlich durch ihr Tun der Wille Gottes hier auf Erden geschehen kann entsprechend der Anweisung unseres HERRN im ‘Vater Unser’: ‘Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel!’“
Familien-Partei Deutschlands
Die FAMILIE, wie sich die Partei selbst abkürzt, ist eine alte Bekannte in der Parteienlandschaft – es gibt sie bereits seit 31 Jahren, sie nahm seit 1998 an jeder Bundestagswahl teil und erreichte dort zuletzt 0,3 Prozent der Stimmen. In Niedersachsen trat sie 2008 nach längerer Pause wieder an und kam auf 0,4 Prozent, im Saarland brachte sie es in diesem Jahr gar auf 1,7 Prozent. Nicht schlecht für eine Partei, die gerade mal über rund 600 Mitglieder verfügt.
Die Partei, die ebenfalls ein Faible für die Farbe Orange zu haben scheint, setzt sich, wie der Name schon sagt, in erster Linie für die Interessen von Familien ein. Sie fordert ein Erziehungsgehalt, will dies im Gegensatz zu diversen Herdprämiemodellen jedoch nicht an die Verpflichtung knüpfen, dass ein Elternteil zu Hause bleiben muss – von diesem Gehalt ließe sich schließlich auch eine Erziehungskraft bezahlen. Außerdem sollen “Eltern, die Kinder erzogen und betreut haben, [...] dafür eine angemessene Rente erhalten”. Dazu gibt es noch ein paar Punkte; sogar welche, die nichts mit Kindern zu tun haben, aber auch nicht wirklich ausgearbeitet sind: “Keine Milliarden ins Ausland”, “mehr Sicherheit + Sauberkeit auf öffentlichen Flächen” und “Politik mit und für den Wähler!!!” – jawohl, mit gleich drei Ausrufezeichen.
Es gibt auch ein Bundesprogramm, das mit 76 Seiten das mit Abstand umfangreichste unter den hier vorgestellten Parteien ist. Die FAMILIE vertritt in vielerlei Hinsicht ähnliche Positionen wie Andere – Leiharbeit nur in Ausnahmefällen, Unterbindung von Lohndumping, Atomausstieg -, aber auch etwas skurillere; etwa die Einschränkung von Mobilfunk bis hin zu Eingriffen ins Wohnungsdesign: “Zum Beispiel können Wohnungen so geplant werden, dass Zimmer für Kinder zu einem späteren Zeitpunkt für die Aufnahme alter Familienangehöriger geeignet sind. [...] Das Wohnungsumfeld muss so beschaffen sein, dass für Kinder genügend Lebensraum zum gefahrlosen Spielen und für den älteren Mitbewohner genügend Möglichkeiten zu einem angenehmen Aufenthalt im Freien gegeben sind.”
Außerdem akzentuiert die Partei ihre Forderungen entsprechend klientelorientiert – die Umwelt muss geschützt werden, da die Kinder mal drin leben müssen; die Staatsverschuldung muss runter, da die Kinder sie mal abbezahlen müssen und so weiter. Aus diesen Gründen fordert die Partei unter anderem das Wahlrecht für Kinder – “mit stellvertretender Stimmabgabe durch die Eltern”. Viel Kind, viel Mitbestimmung. Und viel Geld, denn das erwähnte Erziehungsgehalt soll durch eine “Familienkasse” finanziert werden, in die alle einzahlen – aber aus der eben nur Eltern Mittel erhalten, was letztlich bedeutet, dass sich Kinderlose an den Erziehungskosten zu beteiligen haben.
NEIN-Idee Niedersachsen
Schon der Name klingt schwer nach Protestpartei, und die Partei macht auch gar keinen Hehl aus diesem Selbstverständnis: „Die NEIN-Idee ist ein Regulativ im Parlament und repräsentiert den Teil der Bürger, der die Konzepte der anderen Parteien nicht versteht oder ablehnt“, heißt es im Programm. Ein Sammelbecken für die Nichtwähler also, aus deren Nichtwahrnehmung ihres Wahlrechts die Partei eine bewusst getätigte politische Botschaft ableitet – dass Nichtwählertum zu erklecklichen Teilen auch aus Bequemlichkeit, Desinteresse oder einer Art konkludentem Einverständnis mit den herrschenden Verhältnissen resultieren könnte, scheint in der Argumentation keine Rolle zu spielen.
Wer im „Programm“ der „Nein-Idee“ nach konkreten Forderungen sucht, wird zwangsläufig enttäuscht: Außer der, dass der Wähler die Möglichkeit haben soll, auf dem Wahlzettel auch ein „Nein“ anzukreuzen, gibt es schlicht keine. Die Partei definiert sich über eine grundsätzliche Antihaltung, ihr Programm besteht darin, in Abstimmungen immer mit „Nein“ zu stimmen – egal, worum es geht.
Daraus leitet sie im Übrigen auch die Gewähr dafür ab, nie ins extreme Lager abzugleiten: „Da die NEIN-Idee zu allen Dingen eine ablehnende Haltung einnimmt, sind ohnehin keine den Bürger einschränkende Gesetzgebungen mit Hilfe der NEIN-Idee möglich.“
In der Rubrik „Mein Nein“ lässt die Partei Unterstützer zu Wort kommen, die erklären, warum es manchmal gut sein kann, „Nein!“ zu sagen. Das reicht von einem Feuerwehrmann, der mit dem strategisch klugen Einsatz des Wortes um einen Wochenenddienst herumgekommen ist, bis zu einem nicht näher vorgestellten 36-Jährigen, der die „Nein-Idee“ gar als „eine Antwort auf 5.000 Jahre Kulturgeschichte“ bezeichnet. Und diese beiden zählen noch zu den weniger skurillen Einträgen.
Bündnis 21/RRP
Das RRP im Namen steht für die 2007 gegründete „Rentnerinnen- und Rentnerpartei“, und da das wohl nicht zukunftsorientiert genug klang, hat die Gruppierung ein „Bündnis 21“ zum Namen hinzugefügt. Ihre Entstehungsgeschichte erklärt die Partei wie folgt: „Anlass hierfür war ein Artikel im Münchener Merkur mit der Überschrift ‚Sie streichen uns den Lebensabend’. Dieser Artikel brachte Herrn Polzer [Parteigründer Helmut Polzer, die Red.] so in Rage, dass er mit einem Leserbrief darauf antwortete. Dieser trug die Überschrift ‚Rentner sollten es wagen’.“ Was wagen? Sich „endlich zu einer Partei zusammenzufinden“. Bis zur Bundestagswahl 2009, bei der die RRP 0,2 Prozent erreichte (in Niedersachsen 0,7 Prozent), sind mehr als 3.000 Menschen diesem Aufruf gefolgt.
Überhaupt scheinen Leserbriefe eine gewichtige Rolle im Selbstverständnis der Partei zu spielen – eine Anzahl von ihnen findet sich auf den Webseiten, das Ganze wirkt schon beinahe ein wenig klischeehaft.
Zentraler Programmpunkt ist die Forderung nach einer Mindestrente von 1.000 Euro für Alleinstehende beziehungsweise 1.400 Euro für Ehepaare, die Rückkehr zur Rente mit 65 sowie eine einheitliche Krankenversicherung. Es folgen mal mehr, mal weniger konkrete Aussagen zur Bildungspolitik, zwischen denen sich der merkwürdige Satz: „Voraussetzung für die Einschulung ist […] insbesondere die Beherrschung der deutschen Sprache“ findet, sowie die Forderung nach einheitlicher Schulkleidung. Die hätte auch ganz praktische Auswirkungen: „Wenn Schüler ihre ‚Arbeitskleidung’ bis in den Nachmittag tragen, benötigen sie deutlich weniger Kleidung.“ Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.
Vieles in dem vergleichsweise umfangreichen Programm klingt konservativ, zwischendurch werden aber auch immer mal wieder fortschrittlichere Forderungen aufgestellt: Mindestlohn, Gesamtschulen, Umweltschutz. Immer wieder schimmert indes der Ansatz einer weitgehend von Klientelpolitik geprägten Zielsetzung durch: So spricht die RRP zwar die Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt an, fordert aber nicht etwa gleichen Lohn für gleiche Arbeit oder Quotenregelungen, sondern lediglich „eine höhere Bewertung von Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung“. Innenpolitisch fordert die Rentnerinnen- und Rentnerpartei mehr Polizisten, mehr Kameraüberwachung und den Einsatz der Bundeswehr im Innern, außenpolitisch mag sie sich offenbar nicht so direkt äußern: „Aussöhnung ist nötig“, gefolgt von einem „aber …“. Das alles sind ohnehin eher bundespolitische Themen – für die kommende Landtagswahl scheint kein eigenes Programm des Landesverbandes Niedersachsen vorzuliegen.
DIE SENIORENPARTEI
… könnte der Hauptkonkurrent der RRP im Kampf um die Stimmen der Älteren sein, aber das lässt sich schwer sagen: Im Internet existiert die Partei de facto nicht, es gibt keinen eigenen Webauftritt und nicht einmal Medienberichte, zumindest nicht in jüngerer Zeit. Beste Voraussetzungen für einen erdrutschartigen Wahlerfolg.
DEMOKRATIE-DD-DEUTSCHLAND
Hierbei scheint es sich weniger um eine Partei als vielmehr um eine verworrene Einzelperson-Initiative zu handeln, die nicht nur einen etwas sperrigen Namen, sondern auch den mit Abstand hässlichsten und inhaltsleersten Internetauftritt zu bieten hat. Die DD, so heißt es da, gehe „neue Wege in Fargen [sic!] der Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik, Bildungspolitik“ und so weiter. Welche Wege das sein sollen, dazu findet sich kein Sterbenswörtchen. Doch, einer, und der stammt aus dem Jahr 2010: Straffällig gewordene Ausländer sollen „des Landes verwiesen werden“. „Bei Vorhanden sein [sic] der deutscher [sic] Staatsangehörigkeit ist diese sofort abzuerkennen.“ Aha. Ein Ausländer bleibt demnach ein Ausländer, Staatsangehörigkeit hin oder her.
Mehr ist dazu nicht zu sagen, außer dass die Bewerbung die Sitzung des Landeswahlleiterausschusses mutmaßlich keine fünf Minuten lang überstehen wird.