Königlicher Klops
Anfang Dezember – höchste Zeit, den neuen Kohlkönig vorzustellen, ansonsten erliegen wir noch der Versuchung, darüber nachdenken, wo denn das ganze Jahr seit der Verkündigung des letzten schon wieder abgeblieben ist, und wer will schon über sowas grübeln. Nachfolger des EU-Energiekommissars Günther Oettinger mit der laufenden Nummer 56 auf dem Gemüsethron wird … der CDU-Umweltminister Peter Altmaier, der erste seines Vornamens. Hail to the Chief, Applaus, Applaus, Applaus! Stellen wir den Saarländer an dieser Stelle einmal kurz vor, wir haben gerade nichts anderes zu tun. Und es ist letztlich ja bloß der Kohlkönig, machen wir uns also locker und schreiben frei von der Leber weg.
Die Personalie Altmaier bedeutet zunächst einmal eines: nämlich, dass es schon wieder ein Vertreter des bürgerlichen politischen Lagers sein wird, an den sich die Stadt Oldenburg öffentlichkeitswirksam anbiedert. Also “bürgerlich” in der klassischen politiktheoretischen Definition – dass SPD und Grüne mittlerweile längst dazugezählt werden dürfen, lassen wir für den Moment einmal außer Acht. Also: Altmaier ist ein weiterer Kohlkönig aus dem schwarz-gelben Lager, der fünfte in Folge. Den Betrachter beschleicht das Gefühl, dass sich an dieser parteipolitischen Schieflage unter der Ägide Gerd Schwandners auch nichts mehr ändern wird; und manch einer mag die Frage anfügen, ob das nicht bloß die Fortsetzung der Intimfeindschaft zwischen OB und Grünen/SPD mit anderen Mitteln ist. Aber nur kurz, denn eigentlich ist es ja, so im kosmischen Sinne betrachtet, auch wieder ziemlich Pinkelwurst, wer das fleischige Zepter beim nächsten Berliner Gelage schwingt.
An der dürften die Oldenburger Grünen dieses Mal wohl relativ ruhigen Gewissens wieder teilnehmen, nachdem sie das diesjährige “Gröönkohl-Äten” wegen atomfreundlicher Aussagen Oettingers boykottiert hatten. Zwar hatte sich auch der Unionist Altmaier vor nicht allzu langer Zeit – allerdings noch vor Fukushima – mit dem Rest seiner Fraktion für Laufzeitverlängerungen der AKWs ausgesprochen; nach Fukushima allerdings vertrat er dann, ebenfalls mit dem Rest seiner über Nacht plötzlich komplett anders denkenden Fraktion, die neue Linie des vorzeitigen Ausstiegs. Als parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer zählte Altmaier schon zu den zentralen CDU-Granden, als er noch nicht in jeder zweiten Nachrichtensendung zu sehen war; heute ist er als Nachfolger des mit großem Kladderadatsch gescheiterten Norbert Röttgen Organisator der Energiewende mit entsprechender Medienpräsenz. Altmaier schien zuletzt die Ärmel hochzukrempeln, will immerhin das Atomklo Asse ausputzen und hat nun gar die Erkundung des Salzstocks in Gorleben vorerst gestoppt. Gut, zunächst nur bis zur Bundestagswahl im September 2013; im Rennen um die Endlagersuche bleibt Gorleben letztlich trotzdem – aber vor der Landtagswahl in Niedersachsen machen sich solche Ankündigungen vermutlich dennoch gut. Dass er zwischendurch bei der Windenergie ein wenig auf die Bremse tritt, vielleicht weniger.
Ohnehin hat Altmaier die beliebtheitstechnisch problematischen Steigerungen der Stromkosten am Hals, auch wenn das auf den ersten Blick nicht zwingend eine Sache des Umweltministeriums ist, durch die derzeit aber beinahe omnipräsente Kritik an der Energiewende aber gerne zu einer gemacht wird. Auch dass die Kosten für den verschlafenen und nun angesichts kommender Entschädigungszahlungen immer teurer werdenden Ausbau des Stromnetzes letztlich zum überwiegenden Teil am Verbraucher hängenbleiben werden, ist eine Entscheidung, die im Wirtschafts- und nicht im Umweltressort getroffen worden sein dürfte. Immerhin hält sich Altmaier mit seinem Unmut nicht zurück und führt – das macht ihn auch dem Nicht-Unionisten sympathisch – eine Art Dauerfehde mit Wirtschaftsminister (und, wem muss man das noch sagen, Ex-Grünkohlkönig und Vorgänger Oettingers) Philipp “Fipsi” Rösler, der das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit der Kettensäge reformieren will und seinen Kabinettskollegen vor dem Klimagipfel in Doha bezüglich einer denkbaren Anhebung der CO2-Reduktionsziele deutlich hörbar zurückpfiff. Dass der Umweltminister bei Dingen, die die Energiebranche betreffen, wenig zu melden hat und in den wirklich wichtigen Fragen gegenüber dem Wirschaftsministerium stets den Kürzeren zieht, hat ja irgendwo Tradition in diesem Land; dafür darf Altmaier den Stromkonzernen zwischendurch auch mal Preistreiberei hinter dem Deckmäntelchen der EEG-Umlage vorwerfen. Ändern wird das wenig.
Für seine Pläne zur Rettung des Dosenpfands bekam Altmaier unlängst vom Spiegel eins übergebraten – was eher dazu anregt, dem Saarländer die Schulter zu klopfen als ihn zu verdammen. An anderer Stelle zitiert das Nachrichtenmagazin den 54-Jährigen in einem durchaus lesenswerten Portrait mit den Worten “Schon als Jugendlicher bestand mein Leben nur aus Junger Union und Politik”, und in diesem Moment klopft man seine Schulter vielleicht noch ein-, zweimal mehr, aus Mitleid, weil er dafür vermutlich ziemlich oft auf dem Schulhof vermöbelt worden ist. Heute traut sich das angesichts seines Kampfgewichts von 140 Kilo niemand mehr, außer vielleicht Sigmar Gabriel. Altmaier spricht niederländisch, was ihm einen größeren Oldenburg-Bezug sichert als seinen zehn Vorgängern zusammen, beantwortet – auch das unterscheidet ihn von vielen Parteikollegen – mitunter Fragen auf abgeordnetenwatch.de, hat sich noch keine Hipsterbrille zugelegt, twittert gerne und weiß sogar, wie man einen Twitter- mit einem Facebook-Account verknüpft. Oder hat zumindest einen Praktikanten, der das weiß.
Am 25. Februar ist das 56. “Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten”, wie es so schön heißt, in der niedersächsichen Landesvertretung in Berlin angesetzt. Von der neuen Kohlmajestät wird – das ist neben dem obligatorischen Oldenburg-Besuch die einzige Amtspflicht – eine möglichst kurzweilige Rede erwartet. Mal sehen, ob er’s hinbekommt. Vielleicht kriegt Altmaier ja eine Steilvorlage, und zu jenem Zeitpunkt, fünf Wochen nach der Niedersachsenwahl, hat es sich bereits ausgefipsit. Der Fluch des Amts kennt schließlich keine Gnade. Und der Humorgehalt in Altmaiers Rede ergäbe sich da von selbst.