Dubioser Geruch um Hähnchenstall

Eine neue Mastanlage in Südoldenburg? Klingt wie Eulen nach Athen. Allerdings nehmen Anwohner geplante Stall-Neubauten nicht mehr klaglos hin.

Dass sich im südoldenburgischen Raum mittlerweile auch mal lokaler Widerstand regt, sobald ein neuer Maststall gebaut werden soll, ist nicht mehr ungewöhnlich. In Großenkneten im Landkreis Oldenburg bahnt sich nun allerdings eine viel grundsätzlichere Auseinandersetzung an: Eine örtliche Initiative bezeichnet die Genehmigung einer neuen Mastanlage für 84.000 Hähnchen als rechtswidrig – und wirft den Behörden vor, die Einwände „vorsätzlich zu ignorieren“ und generell zu lasch mit den erforderlichen Gutachten umzugehen.

Im Dezember hatte das Bauordnungsamt des Landkreises den Bau der Anlage unweit der A 29 genehmigt. Das agrarindustriekritische Bündnis Mensch-Umwelt-Tier (MUT) legte Widerspruch dagegen ein: Im zugrunde liegenden Gutachten der Landwirtschaftskammer seien die zu erwartenden Geruchsemissionswerte des Betriebes in unzulässiger Weise heruntergerechnet und die Geruchsbelastung durch vor Ort bereits bestehende Ställe ausgeklammert worden. Außerdem sollen grundlegende Brandschutzbelange wie etwa Möglichkeiten zur Rettung der Tiere im Brandfall unberücksichtigt geblieben sein. Eine „Rettung aller Tiere“ sei, entgegen entsprechender Vorschriften, „nicht einmal theoretisch möglich“, schreibt das Bündnis.

Mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit hat eines dieser Hähnchen sein Leben im Südoldenburgischen ausgehaucht. BILD: Maren Beßler  / pixelio.de

Mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit hat eines dieser Hähnchen sein Leben im Südoldenburgischen ausgehaucht. BILD: Maren Beßler / pixelio.de

Von „dubiosen Praktiken“ beim Genehmigungsverfahren spricht der MUT-Vorsitzende Wilfried Papenhusen, und das auch nicht zum ersten Mal: Auch in zurückliegenden Gutachten will das Bündnis handwerkliche Fehler ausgemacht haben. „Da wird nicht seriös gearbeitet“, vermutet Papenhusen. Der Leiter des Bauordnungsamtes des Landkreises, Peter Nieslony, weist dies zurück: Man sei dort „ja fachkundig und selbstverständlich in der Lage, Gutachten zu lesen“. Aufgrund des Widerspruchs des Bündnisses werde man das vorliegende Material nun noch einmal zeitnah prüfen.

Es handele sich um das erste örtliche Bauvorhaben dieser Größenordnung, das seit 2010 genehmigt worden sei, sagt Papenhusen. Seinerzeit hätten das Bündnis und andere Initiativen damit begonnen, verstärkt „für Unruhe zu sorgen“ und in Veranstaltungen im Rahmen der Bürgerbeteiligungen, die für Anlagen ab 40.000 Tiere vorgeschrieben sind, aufzutreten. Auch im Fall der Mastanlage in Großenkneten habe man die Bedenken vorgetragen und in öffentlichen Gesprächsrunden auf die ihrer Ansicht nach eklatanten Mängel in den Gutachten hingewiesen – die Argumente seien aber vom Tisch gewischt worden: „Man hat uns nach Hause geschickt wie dumme Jungs.“

Auf einer solchen Veranstaltung soll sich laut Papenhusen ein Mitarbeiter des Bauordnungsamtes dahingehend geäußert haben, dass man dort ja „keine andere Chance habe, als den Gutachten der Kammer zu glauben“. Diese Aussage mag Nieslony „weder bestätigen noch bezweifeln“, stellt aber fest, dass man bislang keinen Anlass gehabt habe, diese Gutachten anzuzweifeln – die Landwirtschaftskammer gelte durchaus als sachverständig. Sollten aufgrund der neuerlichen Prüfung „schwere Bedenken aufkommen“, könnte das Amt einen Obergutachter einschalten, sagt Nieslony. Der würde vom Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim gestellt, das niedersachsenweit dafür zuständig ist. In letzter Konsequent hätte das Bündnis auch die Möglichkeit, rechtlich gegen die Baugenehmigung vorzugehen.

Die Auseinandersetzung um den geplanten Stall in Großenkneten könnte somit richtungsweisend sein. Denn für MUT geht es nicht nur um diese eine Anlage, sondern um das grundlegende Prozedere der Genehmigungsverfahren und die Frage, „wie unabhängig und neutral diese Gutachten sind“, sagt Papenhusen. Schließlich ist die Lobby der Intensivtierhalter in dieser Region sehr stark – im Landkreis Oldenburg werden bereits jetzt mehr als sieben Millionen Hähnchen und Legehennen, eine Million Puten und hunderttausende Schweine und Rinder gehalten – bei nicht einmal 130.000 Einwohnern. Wenn aber „Gefälligkeitsgutachten die rechtliche Basis für neue Anlagen“ darstellen, dann graue ihm, sagt Papenhusen. Immerhin, einen Erfolg können die Widerständler schon jetzt verbuchen: Die Zeit, in der „die Entscheidungsträger mehr oder weniger unter sich waren und Baugenehmigungen durchgewunken“ hätten, sei nun vorbei.