Grüne Zeiten, schwarze Zeiten
Kann man ein Thema wie den drohenden Klimakollaps spielerisch und mit Spaß angehen – und dem Ernst der Sache trotzdem gerecht werden? Man kann: mit dem Brettspiel “Keep Cool”.
„Wir müssen dringend ein paar schmutzige Fabriken abreißen, sonst können wir den Klimakollaps nicht mehr abwenden!“ Ein Satz, den man – hoffentlich – auf Klimakonferenzen hört, wenn auch vielleicht anders formuliert. Und auch die mögliche Antwort „Gute Idee. Aber nicht bei mir!“ kommt einem aus der Berichterstattung aus Kyoto, Rio oder Bali bekannt vor – in diesem Fall aber geht es um das Brettspiel „Keep Cool“, bei dem es um dasselbe, große, entscheidende Thema geht: die Rettung des Planeten vor der Klimakatastrophe. Ein gewisser Hang zum Sarkasmus mag vielleicht hilfreich sein, wenn man sich an den Tisch setzt, um spielerisch die globale Erwärmung – nun, abwenden lässt sie ohnehin nicht, aber wenigstens kleinhalten.
„Keep cool“ simuliert den Klimawandel und seine Folgen; auf Ereigniskarten drohen Erdrutsche, Dürren oder Hochwasser, mit deren Auswirkungen die Spieler fertig werden müssen. Vor allem aber simuliert es die mal mehr, mal weniger ernsthaften Versuche, die globale Erwärmung zu bändigen; im Vordergrund steht die Klimapolitik, in der die Spieler verschiedene Ländergruppen vertreten – Entwicklungs- und Schwellenländer etwa, die Opec-Staaten, Europa oder die USA. Jede Partei hat eigene Zielsetzungen, eigene Interessen – und eigene Lobbyverbände, die dem Spieler mitunter im Nacken sitzen.
„Es ist kein Spiel, bei dem man automatisch gewinnt, weil man grün ist oder automatisch verliert, wenn man schwarz ist“, sagt Entwickler Klaus Eisenack: „Das wäre ja langweilig.“ Die beiden Farben symbolisieren im Spiel weniger die politische Gesinnung als vielmehr die Wirtschaftsleistung in Form von Klötzchen, die Fabriken darstellen: grüne sind umweltfreundlich und verzögern die Erderwärmung, schwarze sind Dreckschleudern und, zumindest am Anfang, billiger als die grünen. Und manche Spielparteien profitieren von schwarzen mehr als von grünen. Man ahnt bereits, wo das hinführt.
Vor neun Jahren kam „Keep Cool“ erstmals auf den Markt, drei Auflagen sind mittlerweile vergriffen. Zurzeit ist eine vierte in Vorbereitung, finanziert werden soll sie durch Crowd Funding. Denn reich geworden ist Eisenack, Umweltökonom an der Uni Oldenburg, mit dem Spiel nicht gerade, es ist nach wie vor etwas, um das er sich nebenher kümmert. Entwickelt hatte er es mit seinem mittlerweile verstorbenen Doktorvater, dem Physiker Gerhard Petschel-Held – beide wissenschaftlich mit dem Klimawandel beschäftigt, beide Spielefreaks. Als sie sich eines Tages am Rande einer Tagung im Hotel langweilten, entwarfen sie die Grundzüge für „Keep Cool“.
Spaß sollte es machen, sagt Eisenack, das sei ihnen wichtig gewesen – „kein erhobener Zeigefinger und kein didaktisches Lehrerding“. Der naturwissenschaftliche Kontext sollte dennoch nicht zu kurz kommen, die beiden haben Rückmeldungen von Kollegen eingeholt und ein der Schachtel beigefügtes Heftchen erläutert in Grundzügen den Mechanismus des Treibhauseffekts und wie er im Spiel abgebildet wird.
Etwa in Form der „Währung“, in der die Spieler untereinander schachern, ihre Wirtschaft in Schwung bringen oder sich bestechen. Bezahlt wird mit Kohlenstoff in Form von kleinen Ringen, die sich zu Spielbeginn auf einem Holzständer befinden; im übertragenen Sinne noch unter der Erde. Solange sie dort bleiben, ist alles halbwegs gut; sobald aber immer mehr von ihnen ins Spiel – sprich: die Atmosphäre – gelangen, heizt sich der Planet unweigerlich auf; und wenn der letzte Ring vom Ständer genommen wird, ist er da, der Klimakollaps. Und alle haben verloren.
„Passiert unerfahrenen Spielen häufig“, sagt Eisenack: „Nach einigen Partien kann man es dann besser abschätzen, wann es ernst wird.“ Das ist der Vorteil eines Spiels: Ist die erste Chance, die Erde zu retten, vertan, bekommt man beliebig viele neue. Man fängt einfach von vorn an.
Eisenack spielt auch mit seinen Studierenden „Keep Cool“, und es waren auch Studierende, die ihn auf das Crowd Funding gebracht hatten. „Eine spannende Sache“, findet Eisenack, weil damit nicht nur Geld reinkommt, sondern auch ein Austausch mit interessierten Leuten stattfindet. Überhaupt bekommt er bis heute Rückmeldungen von Brettspielfans, die auch immer wieder mit Vorschlägen kommen, welche Elemente man dem Spiel hinzufügen könnte, etwa Formen des Geo-Engineerings oder Kriegführung. Letzteres aber wolle er nicht, sagt Eisenack.
Besser, wenn sich die Spieler untereinander verständigen: Schließlich hat jeder seine eigenen Fabriken und seine eigene Strategie, aber alle ziehen ihre Kohlenstoffscheibchen vom selben Ständer. Um die Erwärmung zu verzögern, müssen sie Wege finden, mit dem Komplex aus Partikularinteressen, Industrieentwicklung und Unwetterkatastrophen umzugehen – das Spiel gibt für Verhandlungen untereinander kaum Regeln vor. Letztlich, sagt Eisenack, sei der Kern des Spiels auch der Kern des Problems in der realen Welt – nämlich „das Dilemma: Wer trägt die Kosten des Klimaschutzes?“