Zwischen Mythos und Markenkult

35 Jahre – in der noch jungen Geschichte der Computertechnik ist das eine Zeitspanne, die ansonsten in etwa dem Abstand zwischen der frühen Bronzezeit und der Raumfahrtära entsprechen dürfte. Und da klassische Jubiläen im gerade erst durchstartenden Informationszeitalter noch eher selten sind, muss es eben auch mal eine krumme Zahl tun: In diesem Jahr feiert Apple seinen 35. Geburtstag, und das Oldenburger Computer Museum (OCM) widmet der hippen Computerschmiede aus Kalifornien eine eigene Ausstellung.

Apple II, in Szene gesetzt vom technischen Ururenkel. BILD: S. Winter

Apple II, in Szene gesetzt vom technischen Ururenkel. BILD: S. Winter

Zu Gast bei der Eröffnung: Charlotte Erdmann, Chefredakteurin des M-Magazins, das sich mit allen möglichen Themen rund um Apple-Produkte befasst und mit seiner Selbstbezeichnung “Lifestyle und Technik Magazin” schon andeutet, woran der Erfolg des Konzerns im Wesentlichen festzumachen ist – Apple verkauft nicht nur Computer, Telefone und anderes Gerät; Apple verkauft ein Lebensgefühl und macht damit vermutlich auch sein Hauptgeschäft. Wer sich in bestimmten Kreisen ohne Mac blicken lässt, steht mitunter auf einer Stufe mit einem Aussätzigen: “Ich komme ja aus dem Designerbereich, da wird es schon regelrecht erwartet, dass man einen angebissenen Apfel auf dem Notebook hat”, sagt Thiemo Eddiks, Gründer des OCM und selbst in beiden Welten – Apple und Microsoft – groß geworden.

Auch wenn die Entscheidung zwischen Apple und Windows-PCs eine Glaubenssache bleibt: Die Bedeutung der Firma für die Entwicklung der gesamten Branche ist nicht kleinzureden. Mit dem Namen Apple ist nicht zuletzt die Etablierung der grafischen Benutzeroberfläche als Standard-Bedienungselement heutiger Computer verbunden. Der Apple II wurde nicht nur 16 Jahre lang gebaut, sondern aufgrund seiner Eigenschaft weltweit auch gerne kopiert; der 1984 erschienene Macintosh war seiner Zeit in mehrerer Hinsicht voraus. Und nicht nur in der IT-Welt hat der Konzern einen Stellenwert, der in bemerkenswerter Weise über seinen nach wie vor eigentlich eher geringen Marktanteil hinausgeht: Vor kurzem hat Apple Google als wertvollste Marke der Welt abgelöst.

Ein kleiner Schritt für den Besucher, ein großer Sprung für das Museum

Für das Computermuseum bedeutet die Ausstellung den Schritt auf eine neue Stufe: Es handelt sich um die erste Sonderausstellung des nicht gerade großen Hauses. Um sie zeigen zu können, musste die Dauerausstellung – betriebsbereite Rechner aus vier Jahrzehnten – komplett abgebaut und verstaut werden. Zwar waren die Oldenburger nicht die Ersten, die zum Konzernjubiläum eine Ausstellung auf die Beine gestellt haben – das Museum für angewandte Kunst in Frankfurt zeigt seit März eine Apple-Schau. Dort nähert man sich dem Thema aber eher vom Standpunkt der Markenwahrnehmung, des künstlerischen Aspekts und der Psychologie. Im OCM dagegen darf der User – wie auch in der Dauerausstellung – in die Tastatur greifen: Alle ausgestellten Geräte sind funktionstüchtig.

Mannshohe Neuerwerbung: Ein Onyx2 FOTO: M. Nolte

Mannshohe Neuerwerbung: Ein Onyx2 FOTO: M. Nolte

Überhaupt hat das OCM zweieinhalb Jahre nach seiner Gründung Einiges erreicht. Ein Verein hat sich gegründet, ehrenamtliche Mitarbeiter halten den Betrieb aufrecht – und auch der Bekanntheitsgrad ist offenbar auch über die Stadtgrenzen hinaus deutlich gestiegen. So ist das Museum jüngst an einen Onyx-2-Rechner gekommen: Das kühlschrankgroße Grafikmonstrum ist bei einer Hamburger Werbeagentur ausgemustert worden, die Besitzer selbst haben beim OCM angefragt, ob Interesse daran bestünde. Es bestand durchaus: “Das Ding war in den 90er-Jahren das Maß aller Dinge, was Grafik betrifft”, sagt der zweite Vereinsvorsitzende Jörg Walter: “Auf so einem Gerät sind die Spezialeffekte von ‘Matrix’ entstanden.” Der sperrige Klotz stellte das Museumsteam allerdings vor neue Herausforderungen: Auf dem halben Quadratmeter Grundfläche lasten fast 400 Kilo Gewicht. Das trägt nicht jeder Boden, und so muss der Onyx sein Dasein zunächst im Ausstellungsbereich fristen und damit leben, dass der eine oder andere Besucher versuchen wird, an ihm einen Kaffee zu ziehen.

Warnung: Nicht genügend Abstellfläche auf c:

Ein Grund mehr, nach neuen Räumlichkeiten Ausschau zu halten. Auch wenn die heutige Form des Museums schon eine dramatische Verbesserung zu den Anfängen der Sammlung darstellt – vor drei Jahren hatte Eddiks seine Geräte in einem Lagerraum gestapelt und konnte sie höchstens zu bestimmten Anlässen aufbauen -, so stösst das OCM bereits wieder an seine Grenzen. Daher wird ein neuer Standort gesucht, “vielleicht sogar groß genug, dass wir dauerhaft einen Extraraum für Sonderschauen zur Verfügung haben”, sagt Eddiks. Am Interesse des Publikums soll es nicht scheitern, das Museum spricht viele Menschen an – vom Kind, das sich dem Gameboy widmet über den Mittdreißiger, der verklärt auf den C64-Brotkasten blickt, bis hin zum Rentner, der erzählt, wie er seinerzeit mit Lochkarten hantieren musste. Und vielleicht wird ja auch mal ein solches Gerät an das Museum herangetragen.

Die kommenden Wochen aber werden ausschließlich im Zeichen des Apfels stehen, vom Holzkasten der 70er bis zum iPad. Und nicht nur in der Frankfurter Ausstellung, sondern auch hier ist spürbar, was am allerbesten bei Apple funktioniert: der Mythos. Zur Feier des Tages erzählt M-Chefin Erdmann im OCM die geradezu klischeehaft klingende Gründungsgeschichte des Weltkonzerns: Steve Jobs und Steve Wozniak als junge, unterernährte Studenten, die in der Garage ihre ersten Computer zusammenschraubten und dafür ihren geliebten VW-Bulli (Jobs) beziehungsweise ihren vergötterten Taschenrechner (Wozniak) verkaufen mussten. Das ist der Stoff, aus dem die IT-Legenden sind; man erwartet jeden Moment zu hören, dass Jobs in einer einsamen Blockhütte das Licht der Welt erblickte, und zwar in einer Krippe.

All das gehört untrennbar zur Marke Apple dazu. Apple-Rechner laufen stabiler, können mehr und heilen Krankheiten, sind eingeschworene Fans überzeugt – und sobald der Konzern ein neues Spielzeug auf den Markt wirft, ist nicht nur die Nerdfraktion, sondern auch die Medienwelt stets aus dem Häuschen und erzeugt regelmäßig flächendeckend das Gefühl, man brauche das neue iDings unbedingt; auch wenn man gar nicht unbedingt weiß, wofür eigentlich. Es spricht für die Ausstellung im OCM, dass es gelungen ist, diesen Zauber spürbar zu machen, ohne dem Hype zu verfallen.

Die Sonderausstellung “35 Jahre Apple-Computer”  läuft bis zum 30. Juni 2011 im Oldenburger Computer-Museum, Neue Straße 2. Geöffnet Di. und Do. von 17 bis 21 Uhr und jeden 2. und 4. Samstag im Monat von 12 bis 16 Uhr.