Spaß mit Wikipedia – I

Vor ein paar Wochen hatte ich über die Gaza-Ausstellung im Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg berichtet. In der Schau und im Begleitband wird u.a. ausführlich über Hilarion von Gaza, einem der bedeutendsten Kirchenväter, berichtet. Vor ein paar Tagen schaute ich aus purer Langeweile mal nach, was denn eigentlich die allgegenwärtige Wikipedia über den Mann zu sagen hat. Und vom Unterhaltungswert her wurde ich nicht enttäuscht.

Da heißt es an einer Stelle:

Eines der vom damals 22-jährigen Hilarion berichteten Wunder ist, dass er mit einer jungen Frau aus Eleutheropolis, die ihr Mann zu verstoßen drohte, weil sie keine Kinder bekommen konnte, gemeinsam betete. Neun Monate später kam die Frau mit einem Kind nieder.

Gnihihi. Soviel Süffisanz hätte ich den Wikiautoren gar nicht zugetraut. Vorausgesetzt natürlich, es ist überhaupt Süffisanz und nicht eher ein Mangel an Differenziertheit in der Darstellung – denn von der Verwendung des Konjunktivs oder einer anderen Form der stilistischen Distanzierung hält der Verfasser auch im weiteren Verlauf des Textes nicht allzuviel:

In der Nähe lagen die Ruinen eines Tempels, in dem eine riesige Horde von Dämonen hauste, die Tag und Nacht schrien. Hilarion war von dem Platz sehr angetan, wegen der Abgeschiedenheit und der unmittelbaren Nähe eines Wirkungsortes und lebte hier fünf Jahre, kämpfte gegen die Dämonen und heilte den gelähmten Verwalter des Gutes, auf dem er lebte.

Der heilige Hilarion kämpft mit Dämonen (nachgestellte Szene) – via flickr

Soso. Mal abgesehen davon, dass es noch wenige Zeilen weiter oben heißt, Hilarion habe in einem derart unzugänglichen Gebirgstal gelebt, dass er dorthin kriechen musste (wo kommt denn da plötzlich das Gut her?), lebten da also tatsächlich auch noch schreiende Dämonen, die er jahrelang bekämpfte. Nicht etwa: “Der Sage nach lebten dort…” oder “Angeblich kämpfte er…“, wie es ein seriöser und nüchterner Text vielleicht beschreiben würde – das wäre ja auch langweilig. Irgendwie… viel zu lexikalisch. Also uncool. So wie der Brockhaus. Die können dort ja eh’ nix, heißt es.

Da schreiben wir doch lieber vollkommen unreflektiert aus der sicherlich vollkommen neutralen und objektiven Hilarion-Biografie des nicht minder heiligen Hieronymus ab.

Er […] konnte in Gaza behexte Rennpferde von dem Zauber befreien, wonach sie das jährliche Wagenrennen gewannen und sich viele Bürger zum Christentum bekehrten. Zahlreiche Wunder drehen sich um Rennbahn und Zirkus in Gaza, dessen sündhafter Faszination sich der Heilige wohl nicht völlig entziehen konnte.

Ja, vielleicht. Aber vielleicht hat der gute Hilarion im Umfeld der Pferderennen aber auch eine, ähem, brauchbare Einkommensquelle gefunden. Aber hey, wen interessiert das schon, wenn man doch schreiende Dämonen im Text hat.

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