Spaß mit Wikipedia – V

In diesem Fall ist Überschrift meiner kleinen Serie irreführend: Bei diesem Treffer macht Wikipedia nicht mal mehr unfreiwillig Spaß, sondern zeigt sich in seiner ganzen Schwäche und als hochgradiges Ärgernis. Beim Herumstöbern stieß ich auf den Eintrag zur “Deutschen Partei”, die sich bis vor kurzem deutlich im rechtsextremen Sumpf bewegte und heute immer noch zumindest stark rechtslastig ist. Davon versucht sie sich zwar in müden Worten zu distanzieren, allerdings in einem stilistisch so schlechten Deutsch, dass es in Anbetracht des Parteinamens doch wieder ein Stück weit spaßig ist.

Im Wikipedia-Artikel zur “Deutschen Partei” findet sich folgende Tabelle:

Pätzold? Ulrich Pätzold? Den Namen habe ich doch schon mal gehört… wer war das doch gleich… schnell mal draufgeklickt, ich will eben schnell nachgucken, woher ich den Namen kenne, schließlich bedeutet “wiki” ja “schnell”:

Aaah, ja, genau: Ulrich Pätzold, der Journalistikprofessor. Und der soll mal Bundesvorsitzender einer rechtsextremen Partei gewesen sein?

Antwort: Nein, war er natürlich nicht. Statt dessen handelte es sich beim DP-Vorsitzenden um diesen freundlich dreinblickenden Herrn, den es mittlerweile zur NPD verschlagen hat.

Ich will mich gar nicht lange darüber aufregen, in der Wikipedia einen Fehler gefunden zu haben – es war nicht der erste und es wird auch nicht der letzte gewesen sein. Viel interessanter finde ich den wikipediatypischen Mechanismus, der auch in der Zukunft immer wieder zu solchen Fehlern – die ja mitunter ernstzunehmende Folgen für die betroffenen Personen nach sich ziehen können – führen wird. Und dieser Mechanismus funktioniert so:

– Wikipedianer A legt im “Deutsche Partei”-Artikel eine Tabelle mit den Namen ihrer bisherigen Bundesvorsitzenden an.
– Entweder der Autor selbst, vielleicht aber auch Wikipedianer B kommt im Hinblick auf den grundlegenden Vernetzungsgedanken der Online-Enzyklopädie auf den Trichter, pauschal alle in der Tabelle aufgeführten Namen als wikiinterne Links zu gestalten, die auf die gleichlautenden jeweiligen Artikel zu den betreffenden Personen führen, egal, ob es solche schon gibt oder nicht.
– Wikipedianer C hat irgendwann einmal, vorher oder nachher, einen Artikel zum Journalistikprofessor angelegt, der ebenso zufällig wie dummerweise denselben Namen trägt wie ein bundesweit aktiver Neonazi. Damit führt der Pätzold-Link automatisch hierher.

Und schon ist das Malheur passiert. Natürlich hätte der Autor der Tabelle vorher mal schauen können, worauf er da verlinkt. Er hätte auch auf den Gedanken kommen können, dass unter 40 Millionen Männern in diesem Land vielleicht eine auch nur theoretische Chance besteht, dass es da auch die einen oder anderen Namensvettern gibt. Eine zehnsekündige Google-Recherche hätte gereicht. Und natürlich hätte der Autor des Pätzold-Artikels beizieten auch mal schauen können, welche anderen Wiki-Artikel eigentlich auf seinen verlinken, das geht nämlich ganz einfach und dient dazu, solche Missverständnisse zu vermeiden.

Hätte, hätte, hätte. Haben sie aber nicht. Genau wie tausende andere Autoren, die reihenweise Artikel hastig in die Tastatur hacken, weil sie sich mit möglichst vielen Einträgen rühmen wollen – was in der Wikipedia gleichbedeutend mit Ansehen ist -; weil sie mehr Zeit darauf verwenden, die Wikipedia gegen Kritiker in Schutz zu nehmen als sorgfältig zu arbeiten, weil sie sich gerne als Enzyklopädiemitarbeiter selbstbeweihräuchern wollen, ohne sich allzuviel Arbeit zu machen oder warum auch immer.

Es könnte mir ja auch egal sein. Ich warte jedenfalls gespannt auf den ersten Zeitungsartikel, in dem steht “… der emeritierte Journalistikprofessor und heutiges Vorstandsmitglied der NPD Ulrich Pätzold sagte, …”. Bier und Popcorn stehen bereit.

 

1 comment to Spaß mit Wikipedia – V

  • Quieroandalucia

    Ja, es ist wirklich unglaublich, dass manche Journalisten für Artikel in der Wikipedia “recherchieren”. Hastig und schlecht ausgebildet geht die Welt zugrunde…

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