Es ist zum Verzweifeln. Da passiert endlich mal was, worauf man lange gewartet und nicht mehr darauf zu hoffen gewagt hat: Die Öffentlich-Rechtlichen trauen sich – endlich! – mal was. Und dann auch noch der mdr, der sich sonst den größten Teil des Sendetages in bräsiger Provinzverliebtheit wälzt – ausgerechnet das hässliche Adoptivkind der ARD-Familie pfeift auf alle Konventionen und denkt sich ein brandneues, noch nie dagewesenes Format aus. Jay! Applaus! Feuerwerk, Fangesänge, Fußgestampfe wären angebracht.
Wären. Wenn nicht das dabei herausgekommen wäre: Die Völkerschlacht reloaded.
Das größte Gemetzel Europas vor den Weltkriegen als breaking-news-gestylte Nachrichtensendung, mit allem Drum und Dran: Einspieler, die Hintergrundinfos liefern, Live-Schalten zu Außenreportern, Grafiken, Tickerline und einem betont seriösen Anchorman, der durch die Sendung führt.
Ein Paradebeispiel für eine Konzeptidee, die am Konferenztisch bestimmt zunächst geil klang. Aber solche Ideen klingen an Konferenztischen immer erstmal besser, als sie eigentlich sind; und spätestens zum zweiten Brainstorming hätte irgendwem mal auffallen müssen, dass es eventuell, nur vielleicht, ein kleines bisschen lächerlich wirken könnte, „Live“-Schalten zu Reportern in verschiedenen Stadien peinlicher Berührtheit zu faken. Mehr als nur einmal hatte ich den Eindruck, dass die Kollegen eher daran dachten, was nach dieser Chose aus ihren Karrieren wird, während sie sich im Ohr puhlten, um so zu tun, als hätten sie einen Knopf darin.
Überhaupt wirkten so ziemlich alle Mitwirkenden ein bisschen lustlos, so als hätten sie alle längst gemerkt, dass das Ganze doch eine eher blöde Idee war, sich aber niemand getraut hat, das laut zu sagen. Nur „Adelsexperte“ Rolf Seelmann-Eggebert schien sowohl Spaß an der Sache zu haben als auch selbige tatsächlich ernst zu nehmen, aber was soll man von jemandem erwarten, der jeden Pups der angeheirateten Nichte eines adoptierten Fürstchens ernst nimmt.
Die Reporter stehen vor neutralen, irgendwie alt genug aussehenden Hintergründen, während ihre Ausführungen von Kanonendonner aus der Konserve untermalt werden und tun so, als würde rings um sie herum, aber glücklicherweise doch wieder in mehreren Kilometern Entfernung, die Hölle toben. „Moment … ich höre gerade, dass …“ – ach, man wollte sich verschämt die Sofadecke über den Kopf ziehen.
Die Kameraleute wiederum waren stets bemüht, möglichst gute Aufnahmen von den Krieg spielenden Hobbysoldaten zu bekommen. Gut heißt, nicht versehentlich irgendwas Modernes ins Bild zu bekommen, und wenn das bedeutet, dass man ziemlich enge Einstellungen wählen muss, dann ist das eben so. Mit denselben Aufnahmen hätte sich auch eine klassische Doku bebildern lassen können, und das wäre ohnehin die bessere Idee gewesen. Die hatte allerdings mal wieder phoenix.
Was vergessen? Ach ja, die, ähem, Interviews. Decken wir den Mantel des Schweigens über die bemühten, aber dennoch – oder gerade deshalb – reichlich laienhaft wirkenden Darstellungen irgendwelcher historischen Figuren.
Und Ingo Zamperoni? Bestimmt ein netter Kerl, und man möchte ihm aufmunternd auf die Schulter klopfen und ihm sagen, dass alles gut wird; seine Laufbahn wird diesen Mummenschanz mit ziemlicher Sicherheit überleben. Aber falls jemand tatsächlich die Chance zu einem solchen Schulterklopfen hat: Ich würde davon abraten. Es könnte sein, dass man einen gewischt bekommt; IZ kommt so emotionslos-abgebrüht daher, dass er entweder ein so abgefuckter Profi ist, dass er auch den allergrößten Quatsch mit der gebotenen Distinguiertheit herüberzubringen vermag – oder eben ein Roboter.
Nein, mdr, das war nix. Es geht ja nicht einmal um die Frage, ob es moralisch zu rechtfertigen ist, ein Blutbad mit 100.000 Toten zu einem mehrtägigen Showspektakel zu verwursten. Nein – es wirkte einfach nur lächerlich. Ich hoffe, dass ihr das in zwei Jahren nicht nochmal probiert, mit der Schlacht um Berlin etwa.
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P.S.: Nehmt es mir nicht allzu übel, liebe mdrler; ich habe nur an einem Abend reingeschaltet und will nicht den Stab über die gesamte Sendeanstalt brechen. Der anschließende Beitrag über Zalando war ganz gut.
P.P.S.: Aber auch nur der.
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