La blague pour la blague

Die Fans der heute show überschlagen sich im Netz mit Solidaritätsbekundungen angesichts der hochnotpeinlichen Sache mit der jungen Frau, die dort zu Unrecht als NPD-/AfD-Wählerin dargestellt wurde. Die Macher der Sendung sprechen von einem “Fehler”, das ZDF in einer offiziellen Stellungnahme von einem “Recherchefehler”, und Hunderte Kommentare in den Sozialen Netzwerken haben den Tenor: “War halt ein Fehler, passiert jedem mal, sie haben sich doch entschuldigt, kommt mal runter.”  (*) Entschuldigt haben sich alle, ja. (**) Allein: Ich – übrigens auch ein Fan des Formats – glaube nicht, dass es sich tatsächlich bloß um einen Fehler handelte, der einfach so mal eben passieren kann.

Denn die vollständige Aussage der jungen Frau lautete: “Hier auf dem Dorf gibt es ziemlich viele Leute, die rechter Meinung sind und die einfach sagen, ich möchte nicht mehr die NPD wählen, weil die mir zu rechtsextrem ist, deswegen wähle ich jetzt die AfD. Ich sage immer, das ist die NPD in freundlich.” Dass der Schnitt genau zwischen “sagen” und “ich” gesetzt wurde, dreht die Aussage ins komplette Gegenteil, klar – und dieser Schnitt hat sich ja nicht von selbst gesetzt, irgendjemand hat diese Passage bewusst für die Verwendung in der heute show herausgeschnitten. Und wenn man mitten in einem Satz einen solchen Schnitt setzt, hört man sich auch den ganzen Satz an – allein schon, um zu checken, ob der Abschnitt, der verwendet werden soll, auch grammatikalisch für sich selbst stehen kann. Wer schon einmal ein Interview oder sonstige O-Töne geschnitten hat, kennt das. Die Vermutung, dass der Mitarbeiter also wusste, was er tat, liegt alles andere als fern. Zumal das nicht zum ersten Mal vorgekommen ist: Eine Äußerung von Joachim Gauck wurde zuvor ebenfalls bilderbuchmäßig aus dem Zusammenhang gerissen und so ins Gegenteil verkehrt.

Letztlich hätte auch die so am Ende stehengebliebene Passage in der Redaktion für Stirnrunzeln sorgen können, denn die Mimik und Körpersprache der Frau wirken so distanziert von ihrer eigenen Aussage, dass das alles auch ohne Hintergrundwissen nicht so recht zusammenzupassen scheint. Mag sein, dass in der alltäglichen Produktionshektik keine Zeit für tiefschürfene Verhaltensstudien anhand des Footage-Materials bleibt. Mir drängt sich aber der Verdacht auf, dass man es vielleicht auch gar nicht sehen wollte. Weil der Gag einfach zu gut war, um ihn einfach auf Verdacht aus der Sendung zu kicken. Ein Gag um des Gags willen, gewissermaßen.

Vielleicht ist es in dieser Hinsicht nicht so verkehrt, dass die Macher der heute show, die mittlerweile viel zu sehr zum humoristischen Selbstläufer geworden ist, auf diese Weise einen Weckruf bekommen. Ärgerlich ist – neben den Problemen, die sie der jungen Frau damit eingebrockt haben – vor allem aber, dass der Vorfall Wasser auf die Mühlen der “Lügenpresse”-Schreihälse ist. Ein weiterer Stein für das braune Gedankengebäude der Pegida-Verschwörungsheinis. Bislang war der Satz “Das wurde aus dem Zusammenhang gerissen” die letzte ebenso durchschaubere wie wackelige Rechtfertigungsbastion von Hetzern, die beim Hetzen erwischt wurden. Nun werden die Waschbrettköpfe für lange Zeit gebetsmühlenartig auf diesen Vorfall verweisen, wann immer es gegen die Medien geht – und das geht es zurzeit ja ständig. Die heute show hat nicht nur sich selbst einen Bärendienst erwiesen. Zu hoffen bleibt, dass die Macher es hinkriegen, glaubhaft Farbe zu bekennen. Dass sie wissen, wie man mit Schnittkunst Satire machen kann, ohne dass Fragezeichen aufkommen, haben sie ja in derselben Sendung bewiesen.

 

_____________

(*) Nachtrag: Laut der ausführlichen Stellungnahme von Oliver Welke, die ich nach diesem Blogpost gelesen habe, handelte es sich um einen Dokumentationsfehler – demnach sei der Ausschnitt nicht als “aus dem Zusammenhang gerissen” gekennzeichnet gewesen, was aber in solchen Fällen vorgesehen sei. Das wirft allerdings die Frage auf, warum derartige, aus dem Kontext gerissene Sequenzen dort überhaupt zr eigenständigen Verwendung vorgesehen werden. Und warum, wenn man schon mit derart fehlerträchtigem Material jonglieren zu müssen glaubt, nicht beim Schnitt dem Clip selbst ein Warnscreen vorangestellt wird, damit jeder Mitarbeiter, der damit zu tun hat, unmittelbar auf diesen Umstand hingewiesen wird. Und es erklärt auch nicht die Sache mit Gauck und warum nicht schon dort Konsequenzen gezogen wurden.

(**) Noch ein Nachtrag: In der folgenden Sendung erklärte Oliver Welke, wie es zur Panne kam. Es ist zu hoffen, dass die Redaktion daraus die nötigen Konsequenzen zieht. (Und was mit Gauck damals war, wüsste ich nach wie vor gern.)

Leave a Reply

  

  

  

You can use these HTML tags

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>